«Mediale Aufklärung ist mehr als bloss ein Luxusgut»
15 Schreibtalente haben sich an den Schreibwettbewerb von SRG Insider herangewagt ‒ nur jemand konnte gewinnen: Basil Koller. Lies hier seinen Gewinnertext zum Thema «Generation Gratis: Wozu noch Gebühren?» ‒ ungekürzt und unzensiert.
«Die kostenlose Tageszeitung am Bahnhof. Die jederzeit abrufbare Unterhaltungssendung auf dem Videoportal. Die gebührenfreie Partnervermittlungsbörse. Beispiele einer Gesellschaft, in der tatsächliche Kosten einer Dienstleistung immer intransparenter werden und der Bürger zunehmend überfordert ist. Was ist wirklich ‹kostenlos›? Und wo bezahlt er, unfreiwillig, nicht mehr mit der Kreditkarte, sondern mit einem beängstigend detaillierten Abdruck seiner Persönlichkeit?
Die junge Generation ist sich häufig nicht bewusst, dass sie ihre Freiheit und Privatsphäre Schritt für Schritt preisgibt.
Das Informationszeitalter steckt in der Krise. Spätestens seit den Enthüllungen um den Geheimdienst NSA ist klar, dass der Internetnutzer eine Vielfalt der zur Verfügung gestellten Angebote eben doch bezahlt. Nicht mit barer Münze, sondern mit seinen Daten. Egal ob das Shoppingverhalten, die sexuelle oder politische Orientierung oder der Freundeskreis erfasst werden soll: Digitale Algorithmen sind in der Lage, äusserst genaue Profile zu erstellen. Die Folgen sind abgestimmte Werbeinhalte sowie eine kategorische Einordnung des Nutzers. Die Unternehmen benutzen dabei einen simplen Köder. Sie bieten Dienstleistungen vermeintlich kostenlos an. Verlangt wird bloss eine Registrierung sowie ein Akzeptieren der Nutzungsbedingungen. Gerade der jungen Generation fällt es schwer, solchen Anreizen zu widerstehen. Und sie ist sich häufig nicht bewusst, dass sie ihre Freiheit und Privatsphäre Schritt für Schritt preisgibt.
Transparent kostenpflichtige Angebote hingegen werden mehr und mehr in die Defensive gedrängt. Den qualitativ anspruchsvollen Journalismus trifft dies besonders hart. Er kann häufig nicht mit kostenfreien Dienstleistungen mithalten. In der Schweiz ist die auflagenstärkste Tageszeitung schon seit längerem ein Gratisheft. Auch die Einnahmequelle der Inserate gerät unter Druck, da Printmedien keine auf den Nutzer zugeschnittenen Werbeflächen anbieten können, wie dies Onlineportale können. Als Panikreaktion boten auch renommierte Schweizer Zeitungen ihre Dienstleistungen kostenlos im Web an. Inzwischen versuchen NZZ und co., diese fatale Fehlentscheidung zu korrigieren. Doch die Einführung von Online-Abos stösst auf Unverständnis. Der Bürger ist nicht mehr bereit, für sauber recherchierten und sprachlich ansprechenden Journalismus einen angemessenen Preis zu bezahlen.
Es ist schlussendlich die Aufgabe der ‹Generation Gratis›, eine Lösung aus der Misere zu finden.
Dabei darf nicht vergessen gehen, dass ein unabhängiger Journalismus für eine funktionierende Demokratie unerlässlich ist. Doch wo sich Zeitungen und Verlage in finanzielle Abhängigkeiten begeben, kann diese Unabhängigkeit nicht länger gewahrt werden. Das Basler Beispiel zeigt, dass das Bewusstsein für diesen Umstand noch nicht ausgeprägt genug ist. Auf den Kauf der Basler Zeitung durch Christoph Blocher entstand zwar als Gegenreaktion eine neue, ‹unabhängige› Wochenzeitung. Doch diese ‹TagesWoche› wandert drei Jahre nach ihrer Gründung weiterhin auf einem schmalen finanziellen Grad, die Auflagenzahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Bereits wird der ‹TagesWoche› vorgeworfen, Auflagenzahlen geschönt zu haben, um höhere Einnahmen durch Inserate zu erzielen. Eine Branche kämpft um ihr Überleben.
Es bräuchte ein klares Bekenntnis der Gesellschaft, sich von intransparenten Gratismodellen abzuwenden und Systeme zu unterstützen, die ihre Preise offen darlegen. Dahin ist es noch ein weiter Weg. Unklar ist ebenfalls, ob er jemals überhaupt eingeschlagen wird. Es ist schlussendlich die Aufgabe einer ganzen Generation, der ‹Generation Gratis›, eine Lösung aus der Misere zu finden. Denn mediale Aufklärung ist nicht bloss ein Luxusgut. Sie ist ein Grundnahrungsmittel einer modernen, freien und demokratischen Gesellschaft.» Ein Kommentar von Basil Koller
Hintergrund: Auf der Suche nach jungen Schreibtalenten hat SRG Insider anfangs Mai einen Schreibwettbewerb lanciert. Zur Auswahl standen drei Themen rund um den Service public. Wer gewinnt, hat eine fünfköpfige Jury entschieden, bestehend aus Sylvia Egli von Matt (ehemalige MAZ-Direktorin), Vinzenz Wyss (Journalistik-Professor an der ZHAW), Elia Blülle (Präsident von Junge Journalisten Schweiz), Pernille Budtz (Redaktionsleiterin LINK) und Jasmin Rippstein (Projektleiterin SRG Insider).
Text: Basil Koller
Illustration: SRF / Stephan Lütolf
Bild: Basil Koller (© Lorin Mühlebach)
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