«Hier kann ich Dinge verändern»
Als «Kassensturz» 1974 erstmals über den Bildschirm flimmerte, waren sich die Kritiker einig: Diese Sendung ist eine Totgeburt. Doch das Konsumenten-Magazin hat seine Kritiker alle überlebt. Mehr noch: «Kassensturz» ist heute eine der beliebtesten Sendungen von SRF. Die SRG Deutschschweiz widmete der Sendung eine Themenwoche und begleitete «Kassensturz»-Redaktorin Marianne Kägi bei der Produktion eines Testbeitrags.
Während rund drei Wochen begleitete die SRG Deutschschweiz im Rahmen ihrer Facebook-Themenwoche «Kassensturz»-Redaktorin Marianne Kägi bei der Vorbereitung, Durchführung und Postproduktion eines Testbeitrags zum Thema «Hefe». Zu Wort kam im Rahmen der Themenwoche auch Roger Schawinski. Denn, was viele nicht wissen: Schawinski war Mitbegründer der Konsumentensendung – und moderierte 1974 sogar die erste Folge. «Ich hatte keinerlei Erfahrung, es war katastrophal», erinnert sich der Medienprofi schmunzelnd an die Anfänge zurück. «Ich hatte nicht einmal ein Jackett, ein Kollege musste mir seines ausleihen – und dieses war erst noch drei Nummern zu klein.» Auch der erste Testbeitrag sei damals völlig unbedarft und ohne jegliche vorherige Schulung produziert worden, so Schawinski. Heutzutage sind die Anforderungen an einen Testbeitrag massiv höher. Klare Testkriterien, eine saubere Durchführung und eine korrekte Dokumentation sind das A und O. Was das heisst, konnten Belinda Themenwoche zu «Kassensturz» Schegg und Ehemann Jonas Wittwer, Mitglieder der SRG Zürich Schaffhausen, hautnah miterleben. Die beiden wurden als Gewinner des «Kassensturz»-Wettbewerbs im LINK 6/2012 ausgelost und durften somit nicht nur beim Dreh des Praxistests und der Vertonung, sondern auch bei jener Sendung live dabei sein, in welcher der Testbeitrag schliesslich ausgestrahlt wurde.
Der lange Weg zum Ziel
Wie viel Arbeit hinter einem solchen Bericht steckt, zeigte die Themenwoche der SRG.D auf: Bereits einen Monat vor der Sendung macht sich Redaktorin Marianne Kägi auf die Suche nach einem Thema. Rund eineinhalb Arbeitstage benötigt sie, um sich einzuarbeiten, sich das notwendige Wissen anzueignen und eine geeignete Testform vorzubereiten. Zentraler Bestandteil der Vorbereitung ist die Marktabklärung: Wie viele verschiedene Sorten gibt es vom entsprechenden Produkt und welche sind die meistverkauften? Sind diese Fragen geklärt, arbeitet die Redaktorin gemeinsam mit sorgfältig ausgewählten Experten ein Testprotokoll aus.
Mit Leidenschaft und Engagement etwas bewirken
Die Leidenschaft, mit der Marianne Kägi ihren Beruf ausübt, spürt man bei der ersten Begegnung: «Journalistin zu werden, war bereits mein Mädchentraum. Ich habe immer schon geschrieben, Interviews geführt und wollte mehr über Menschen erfahren. Als ich dann herausfand, dass man sozusagen beruflich Fragen stellen kann, war für mich klar: Das ist mein Ziel», verrät Kägi. Mit diesem Engagement ist sie bei der SRF-Konsumentensendung am richtigen Ort. Denn: «Bei ‹Kassensturz› wird nicht einfach nur Journalismus, sondern engagierter Journalismus betrieben. Ich habe den Eindruck, dass ich hier Dinge verändern und für die Zuschauerinnen und Zuschauer etwas bewirken kann», so Kägi. Besonders interessant sei es, hinter die Fassade eines Produkts blicken zu können und die Geschichte solche Geschichte, nämlich den Bericht über die Goldproduktion in Ghana, wurde Kägi 2012 sogar für den CNN Journalist Award nominiert.
Zurück zur Hefe: Knapp drei Wochen vor der Sendung steht der Dreh des Praxistests an. Im Gegensatz zu einem Labortest, der sich über mehrere Tage oder gar Wochen hinziehen kann, muss in diesem Fall der gesamte Test an nur einem Tag sauber durchgeführt, abgedreht und die Resultate müssen festgehalten werden. Rund zwölf Stunden steht das Filmteam hierfür im Dauereinsatz. Fehler dürfen dabei keine passieren, denn eine Wiederholung des Tests ist nicht möglich.
Tage später wird im Redaktionsbüro das Material gesichtet, ein erstes «Drehbuch» verfasst und mithilfe eines professionellen Cutters aus rund zwei Stunden Filmmaterial der siebenminütige Beitrag geschnitten. Nicht nur die Auswahl der Bilder ist dabei anspruchsvoll, zusätzlich müssen die Länge des jeweiligen Bildausschnitts und jene des dazugehörigen Kommentartextes exakt übereinstimmen. Am zweiten Schnitttag ist die Abnahme: Der Produzent und der stellvertretende Chefredaktor schauen sich den Film an. Sie prüfen, ob der Bericht gut verständlich ist und ob die Fakten stimmen. Sobald die Testresultate vorliegen, informiert «Kassensturz» zudem die Verkäufer der gestesteten Produkte und konfrontiert sie mit den Ergebnissen. «Diejenigen, welche ungenügend abgeschnitten haben, können zu den Resultaten Stellung nehmen und werden in der Sendung mit ihren besten Argumenten zitiert», erklärt Kägi das Vorgehen.
Den Profis über die Schultern schauen
Gerademal sechs Stunden vor der Sendung wird der Beitrag vertont. Peter Kner, seit 35 Jahren die bekannte Stimme des «Kassensturz», spricht den Kommentartext, den Kägi vorbereitet und ausformuliert hat. Die beiden Mitglieder sind beeindruckt, wie professionell und präzise Kner einen Text spricht, den er erst kurz zuvor erhalten und nur einmal geprobt hat. Kurz vor 20 Uhr steht dann der Probelauf der Sendung an. Die Stimmung im Studio ist erstaunlich locker. Insbesondere Moderator Ueli Schmezer bringt mit seinen Sprüchen nicht nur die Crew, sondern auch den gesamten Probeablauf immer wieder durcheinander. Noch passieren einige Fehler. Abläufe und Moderationspositionen müssen mehrmals geprobt werden. Als Schmezer sogar nur sieben Minuten vor Live-Schaltung der Sendung noch seelenruhig Fragen des SRG.D-Teams beantwortet, werden die Aufnahmeleiterin und die Regisseurin allmählich nervös. Nur der Moderator bleibt die Ruhe selbst.
Dann gilt es ernst: Alle Beteiligten begeben sich auf ihre Plätze. Belinda Schegg und Jonas Wittwer nehmen derweil im Regieraum Platz, von wo aus sie die Sendung mitverfolgen können. Um 21.06 Uhr fällt schliesslich der Startschuss und Ueli Schmezer moderiert geübt den ersten Beitrag an – ein Profi eben durch und durch.
Im Rahmen dieser Berichterstattung ist auch das Web-Video 'Hinter den Kulissen von «Kassensturz»' entstanden.
Text: erschienen im LINK 3/2013; SRG.D/Jasmin Rippstein
Bilder (v.l.n.r.): «Kassensturz»-Moderator Ueli Schmezer im Interview mit SRG.D-Social-Media-Projektleiterin Viviane Aubert;
Bäckermeister André Dossenbach (rechts) erklärt den SRG.D-Mitgliedern Belinda Schegg und Jonas Wittwer die Testkriterien;
«Kassensturz»-Redaktorin Marianne Kägi mit Cutter Michael Tisaji
Bilder: SRG.D/Jasmin Rippstein)
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