«Mein Senf»: Wie man einem Verlierer zum Sieg gratuliert
In der Rubrik «Mein Senf» lassen wir jeden Monat jemand Junges zu Wort kommen. Dieses Mal erzählt Jura-Doktorandin Mirjam Trunz (27), wie sich ihre Einstellung zu Sportkommentatoren schlagartig änderte, als sie ihre Stelle als Assistentin bei SRF Sport antrat. Und sie verrät, wie sie ihre unüberlegten Falschaussagen kaschierte, um nicht zum Deppen der Nation zu werden.
«‹Ach herrje, Beni, wie kannst du bei einem Champions-League-Spiel nur die Teams verwechseln?›, ‹Hihi, Jann, Ted Ligety ist wohl eher ausgeschieden, als ausgeschissen!›, ‹Hai, Sascha, wie kannst du das Spiel der Spanier im EM-Finalspiel nur als Beamtenfussball bezeichnen!›»
Solche Aussagen hätten von mir stammen können, als ich noch nicht einmal 10 Jahre alt war und gedacht habe, dass Matthias Hüppi eine Sportsendung alleine auf die Beine stellt – schliesslich produziert der Moderator ja auch alle Beiträge und schneidet diese selbst zusammen... Meine äusserst naive Einstellung änderte sich allerdings schlagartig, als ich während meiner Studienzeit als Assistentin bei SRF Sport tätig war. Aussagen auf dem Sender, für die es früher absolut kein Pardon gegeben hätte, sehe ich plötzlich mit anderen Augen. Denn heute weiss ich selber, wie leicht unüberlegte Wörter über die Lippen kommen.
Durch meine Zeit bei «sportaktuell» habe ich gemerkt, dass hinter einer Sendung weit mehr steckt, als ‹nur› ein Moderator. Von einem Produzenten, über einen Regisseur bis hin zu diversen Journalisten, Editoren und Assistenten – und alle leisten ihren Beitrag für eine gelungene Sendung. Dass bei so vielen Leuten, die alle unter Zeitdruck arbeiten, auch Fehler passieren, erfuhr ich schon nach kurzer Zeit am eigenen Leibe. So gratulierte ich beispielsweise Sébastien Bordeleau auf Französisch zum Sieg gegen die ZSC Lions, obwohl er mit dem EHC Biel soeben in der Overtime verloren hatte oder sprach während des ersten Fussballspiels nach der Eishockeysaison von der ‹Scheibe› im Strafraum.
Zum Glück war genügend Zeit vorhanden, meine Peinlichkeiten herauszuschneiden. Nicht auszudenken, wie die Zuschauer zu Hause auf dem gemütlichen Sofa über mich geflucht hätten. Die Kommentatoren, Moderatoren und Journalisten haben jedoch nicht die Zeit, ihre Versprecher oder unüberlegte Wortwahl bei einer Live-Übertragung herauszuschneiden. Sie müssen innert kürzester Zeit erkennen, wer der Torschütze ist oder ob die Zweiminuten-Strafe gerechtfertigt war – und dies manchmal sogar aus schwindelerregender Höhe (man denke an die Kommentatoren-Plätze im Hallenstadion). Die Kommentatoren sitzen nicht gemütlich zu Hause auf dem Sofa und haben alle Zeit der Welt, ihre Wörter zusammen zu reimen, sondern arbeiten unter Zeitdruck und mit dem Wissen, dass sie mit einer peinlichen Aussage zum Deppen der Nation werden.
Auch wenn ich nicht mehr bei SRF Sport arbeite und das tägliche Sportgeschehen nur noch gemütlich aus der Distanz verfolge, habe ich nach wie vor grossen Respekt vor dem SRF-Sport-Team – ihr macht, trotz einiger nicht zu vermeidender Versprecher, echt einen Super-Job!»
Mirjam Trunz (27) hat Jura studiert und verfasst zurzeit ihre Doktorarbeit über die Bekämpfung der Wettspielmanipulation im Sport. Sie ist Mitglied des Vorstandes und der Programmkommission der SRG Ostschweiz.
In der Rubrik «Mein Senf» lassen wir immer mal wieder jemand Junges zu einem Themenschwerpunkt zu Wort kommen. Alle bisher publizierten «Senf»-Texte findest du unter: #meinsenf
Bild: Mirjam Trunz (zVg./Montage)
Illustration: Stephan Lütolf
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