«Welcome to Palestine!»

«Wenn hier die Decke einstürzt, sind wir erschlagen oder invalid», sagte tpc-Kameramann Matthias Gruic zu SRF-Reporter Tilman Lingner. Sieben Tage verbrachte das Team für «Reporter» in Gaza-Stadt und in Jerusalem. Ein Wechselbad der Eindrücke zwischen ausradierten Häuserzeilen und hochgesicherten Hightech-Anlagen.

300 Meter lang ist der Weg zwischen Hightech und Ruinen. Im Niemandsland zwischen Israel und dem Gazastreifen verläuft auch die Grenze zwischen klimatisierter Hochsicherheit und hitzeflimmernden Ruinen. «In Israel sitzen die Grenzwächter hinter Panzerglas, im Gazastreifen in einer ausgebombten Baracke. Das ist schon ein krasser Gegensatz», schildert Kameramann Matthias Gruic. Für «Reporter» begleitete er SRF-Reporter Tilman Lingner nach Israel und in den Gazastreifen. Sie porträtierten Pierre Krähenbühl, Generalkommissar des Uno-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge UNRWA.

Kugelsichere Fahrzeuge und friedliche Bewohner

Der Offizielle fuhr mit Bodyguards im kugelsicheren Fahrzeug im UN-Konvoi voraus, das TV-Team in einem normalen Auto hinterher. «Von aussen besehen war das ein ziemlicher Kontrast», schmunzelt der Kameramann. «Aber das ist der übliche Sicherheitsstandard für einen UN-Generalkommissar und im Gazastreifen herrscht ohnehin Waffenruhe.» Doch sollten sie sich als westliche Medienleute auf Aggressionen seitens der Bevölkerung gefasst machen, wurden sie gewarnt. «Keine Spur davon», hat Matthias Gruic erlebt. «Vielmehr hiess es 'Welcome to Palestine!'. Die Leute haben uns regelrecht belagert, um uns ihre Geschichte zu erzählen und ihre bombardierten Häuser zu zeigen.»

Alltag in Trümmern

Von den beschädigten Häusern drohe derzeit auch die grösste Gefahr in Gaza, schätzt der Kameramann. «Man meint, dass einem drin gleich die Decke auf den Kopf stürzt.» Manche Stadtteile wirkten wie eine Geisterstadt. Ruine neben Ruine und trotzdem gebe es Bewohner, die sich darin einrichteten. «Inmitten der totalen Zerstörung haben sie die kärglichen Überreste ihres Zuhauses notdürftig abgedeckt und halten eisern an ihrem Zuhause und vielleicht einer Art Normalität fest.»

Mit der Kamera festgehalten hat die Equipe auch eine Familie, die in Schutt und Asche eines komplett ausgebombten Hochhauses Trümmer ihrer Wohnung erkannte. «Die obdachlosen Bewohner erzählten uns, kurz vor der Bombardierung sei ein Anruf gekommen, man habe fünf Minuten Zeit das Haus zu verlassen. Anscheinend hat es glücklicherweise auch wirklich keine Toten gegeben», sagt Matthias Gruic. «Die Familie hat dann unter Betonplatten, Schutt und Asche total verstaubte Pyjamas, Hemden und Hosen herausgezogen.» Auch seine eigene Unterkunft im einzigen noch stehenden Hotel empfand der Kameramann als krassen Kontrast zur Lebenswirklichkeit in Gaza: «Das Hotel ist eine Oase des Überflusses inmitten der Zerstörung. Dort wird gepflegt Wasserpfeife geraucht, während es den Obdachlosen draussen an Essen und Trinkwasser mangelt.»

Nachts wieder in Gaza

Die Bilder der eingestürzten Häuser nahm Gruic mit nach Hause. «In der ersten Woche nach unserer Rückkehr war ich im Traum jede Nacht in einem eingestürzten Haus. Ich wache dann auf und weiss nicht, wo ich bin.» Die unablässigen Bilder der Zerstörung lassen sich bei so vielen Eindrücken gar nicht vor Ort verdauen. Die Verarbeitung beginnt erst danach.

Einen letzten krassen Gegensatz erlebte er dann nach seiner Rückkehr.«Ich bin am Samstag in Zürich gelandet und stand tags darauf im Sportstudio von SRF hinter der Kamera. Von Gaza ins «sportpanorama» – das war schon sehr speziell.»

Text: tpc switzerland ag / Ann-Katrin Frick
Bilder: Matthias Gruic (© SRF / Tilman Lingner); Tilman Lingner und Matthias Gruic (© Alaa Mashharawi)

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