Berichterstattung aus Risikogebieten: Kein Job für Draufgänger

Journalismus ist vielerorts ein gefährlicher Beruf. Auch im vergangenen Jahr bezahlten zahlreiche Reporterinnen und Reporter ihre Arbeit mit dem Leben. Besonders heikel ist die Berichterstattung in Kriegs- und Krisengebieten. Wie entscheidet SRF, wann das Risiko zu gross ist, um jemanden vor Ort zu entsenden? SRG Insider hat auf der Auslandredaktion von Radio SRF nachgefragt.

Oft sind nach Katastrophen oder dem Ausbruch eines bewaffneten Konfliktes die Bedingungen vor Ort so schwierig und chaotisch, dass an Reportagen nicht zu denken ist. Wenn zum Beispiel ein Erdbebengebiet aufgrund der zerstörten Strassen gar nicht zugänglich ist, bringt es nichts jemanden zu entsenden, nur damit dieser dann in der weit entfernten Hauptstadt festsitzt. Für Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF, ist es daher wichtig, die Lage erst sauber abzuklären. Das brauche Zeit ‒ oft vergingen mehrere Tage, bis die Situation einschätzbar werde.

«Absolute Sicherheit gibt es nicht»

Doch selbst wenn es aus journalistischer Sicht richtig wäre, jemanden zu entsenden, entscheidet sich SRF in bestimmten Fällen dagegen. Der Grund: Manchmal ist die Gefahr für Leib und Leben der Journalisten zu gross. 71 Journalistinnen und Journalisten wurden 2013 während ihrer Arbeit getötet, vermeldet die Organisation «Reporter ohne Grenzen». Ein beträchtlicher Teil davon waren Korrespondenten, welche aus Kriegsgebieten berichteten: Fast die Hälfte der getöteten kamen im brutalen Bürgerkrieg um, der zurzeit in Syrien wütet.

SRF prüft darum vor jedem Einsatz genau, ob dieser zu gefährlich oder das Risiko annehmbar ist. «Die Abklärungen sind breit, wir fühlen uns für das Wohlergehen unserer Mitarbeitenden verantwortlich und gehen keine Risiken ein, die wir für unkalkulierbar halten. Klar, es gibt immer eine Grauzone, absolute Sicherheit gibt es nicht», so Martin Durrer, Chef der Auslandredaktion von Radio SRF.

«Ohne Sicherheitsnetz ist ein Einsatz zu gefährlich»

Um die Gefahrenlage vor Ort einzuschätzen, stützt sich die Auslandredaktion auf eine Vielzahl von Quellen. Zunächst sind das eigene Erfahrungen mit dem betroffenen Land oder der Region. Dann können das Journalisten und Journalistinnen sein, die bereits vor Ort sind oder in dem Land arbeiten. Weiter werden, wo möglich, Diplomaten zur Beurteilung beigezogen. Ebenfalls involviert werden Hilfswerke, welche in der Region aktiv sind.

Schlussendlich wird auch eine Vielzahl schriftlicher Quellen ausgewertet. Generell, so Durrer, gelte: «Zu gefährlich ist ein Einsatz, wenn vor Ort kein vertrauenswürdiges Sicherheitsnetz existiert – zum Beispiel eine Vertretung der UNO oder vom Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und wenn akute Lebens- oder Entführungsgefahr herrscht.»

«Wir haben in unserem Team keine Draufgänger»

Diese Abklärungen, erklärt Martin Durrer, trifft die Auslandredaktion in enger Zusammenarbeit mit den Korrespondenten: «Bei uns steht in keinem Vertrag, dass jemand zu Kriegseinsätzen verpflichtet ist. Wenn wir aber jemanden in eine Krisenregion entsenden, führen zuvor und während des Mandats permanent Gespräche, beurteilen gemeinsam die Lage und entscheiden.» Falls jemand Sicherheitsbedenken hätte, würde er oder sie sicher nicht gezwungen, fügt Durrer an. Dieser Fall sei seines Wissens noch nie eingetreten: «Da die Beurteilung unserer Leute vor Ort viel Gewicht hat, sind gravierende Meinungsverschiedenheiten sicher selten», erklärt sich Durrer diesen Umstand.

Jemanden von Einsatz abhalten habe er ebenfalls noch nie müssen: «Wir haben unserem Team keine Draufgänger, deren ruhiges Urteilsvermögen ich anzweifeln müsste. Insofern ist am Ende das persönliche Vertrauen auch ein Massstab.» Es könne einzig vorkommen, dass er jemanden zurückhalte, um mehr Informationen zur Lage und dem Sicherheitsnetz zu erhalten, bevor er über einen Einsatz entscheide.

Text: Oliver Fuchs (erstmals veröffentlicht am 15.1.2014)
Quelle: Martin Durrer, Bericht von «Reporter ohne Grenzen»
Bild oben: SRF-Korrespondent Ulrich Tilgner (links) im Gespräch mit Stammesführern im Irak (© SRF)
Bild unten: Martin Durrer (© SRF/Severin Nowacki)

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