«Wir wollen Fehler!»

Kamerabewegungen, Effektlichtstimmungen, Lichtwechsel, Livemusikmischung und Beschallung auf dem Sender proben? «Das ist keine mehrheitsfähige Idee», weiss Stefan Tüscher, Fachausbildungsverantwortlicher bei der tpc switzerland ag. In Zusammenarbeit mit tpc entwickelte er deshalb einen praxisnahen Lehrgang für Kameraleute, Video Editoren und Filmgestalter.

«Piloten trainieren auf Simulatoren, wir mit unseren Studio-Workshops», bringt es Stefan Tüscher, Fachausbildungsverantwortlicher bei tpc ag, auf den Punkt. Wenn auch nur alle zwei bis drei Jahre im grossen Stil: Im gemeinsam mit der Ausbildung SRF durchgeführten Musik- und Show-Workshop tauchten vor Kurzem wieder 12 Ausbildner und 40 Mitarbeitende mit einer Show-Band für eine Woche ins tpc Studio 1 ab. «Im Live-Bereich gibt es nur wenige vergleichbare Ausbildungsveranstaltungen», schildert Ausbildner Tüscher. «Auch international nicht. Doch nur so kann man grosse Sendungen trainieren und Grenzen ausloten. Und nur so entsteht Spielraum für Neues. Im Normalbetrieb ist dafür keine Zeit.» Anderthalb Jahre Vorlauf und eine intensive Planung waren diesmal nötig, um den Workshop vorzubereiten. Rund 70 Leute mussten sich dafür gleichzeitig für eine Woche loseisen können. «Den übrigen Aufwand halten wir so gering wie möglich. Eine kleine Bühne reicht uns, den Rest machen wir mit Licht», schildert Stefan Tüscher.

Pro Berufsgruppe ein Übungstag

Ton, Licht und Bildtechnik, Kamera, Regie und Bildmischung: Jede Berufsgruppe hat ihren eigenen Übungstag, definiert vorab Lernziele und entsprechende Musikwünsche. «Die individuellen Bedürfnisse machen diesen Workshop komplex. Auch wenn pro Tag nur ein Bereich das Sagen hat, sind trotzdem immer alle Berufsgruppen involviert und müssen sich zuarbeiten.» Nur wenn beispielsweise die Regie den Licht- und Bildtechnikern genug Totalen liefert, werden deren Lichtwechsel sichtbar. Intensiv schulen die Ausbildner im Studio 1 das Handwerk, fuchsen die Teilnehmer beispielsweise auf präzise Kamerabewegungen oder Überblendungen via gezielt gesetzten Unschärfen ein. «Wir wollen Fehler», betont Tüscher, «denn nur durch mutiges Ausprobieren ohne Produktionsdruck erreichen wir in relativ kurzer Zeit einen hohen Erfahrungszuwachs und Lerneffekt.»

Emotionen transportieren

«Ohne strenges Einüben geht es nicht. Das Handwerk muss man perfekt beherrschen», weiss auch Regisseur und Ausbildner Urs Bernhard. Das sei

Ein Mann an einem Regiepult

gerade bei Casting Shows oder anderen Wettbewerben mit ihren präzisen, auf Vergleichbarkeit ausgerichteten Abläufen immens wichtig. «Die sind wie ein Skirennen mit Musik und Showeinlagen. Doch generell stehen Show, Musik und Glamour in erster Linie für Emotionen. Und die Emotionsschiene muss man gezielt angehen. Dafür sollte man mehr vermitteln als die reine Abarbeitung vorgegebener Schnitte und Einstellungen.» Zentral sei der Aussagewunsch der Regie. Die definiere die Emotionen, welche man mit formalen Gestaltungsmitteln transportiert. «Damit biete ich Kameraleuten und Bildmischern ein klar abgestecktes Spielfeld, das sie gemeinsam kreativ gestalten können.»

Hie und da ein kleiner Kick

Diese Methodik müsse man zunächst ausprobieren und sich aufeinander einspielen. «Kommt hinzu, dass sich im Lauf der Jahre auch die Sehgewohnheiten ändern und sich andererseits in jedem Grossunternehmen gern gewisse Routinen einschleichen. Auf das muss man reagieren, sprich immer mal wieder Produktionsweisen neu positionieren. Alle paar Jahre eine Aussensicht und hie und da ein Kick tun da gut», so Bernhard.

Unter den Teilnehmern des Show- und Musikworkshops sind auch viele Stagiaires im zweiten Arbeitsjahr. Bei grossen Kisten setze man aber meist auf erfahrene, langjährige Mitarbeitende, so Bernhard. «Das begreife ich – halbwegs. Denn man könnte problemlos einen Neuen dazu nehmen und hätte mit der Zeit weitere Fachleute, die es auch können.»

Kamerafrau filmt die Band auf der Bühne

Routine bekommen und Neues umsetzen

Dass den Newcomern im Workshop erfahrene Berufskollegen zur Seite stehen, schätzt Tonoperateurin Franziska Ruetimann: «Wir konnten uns sehr gut austauschen und viele Tipps abholen.» Die Tonfachfrau ist regelmässig bei Struktursendungen und Corporate Events im Einsatz und möchte jetzt auch bei grösseren Kisten mitwirken. «Ich finde es toll, dass tpc so viel Manpower, Mittel und Zeit investiert. Die Ausbildner haben einen Super-Job gemacht, auch in der Vorbereitung. Ich habe grosse Lust, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.»

Genutzt wurde der Workshop übrigens auch, um neue Produktionsmittel zu erproben. Stagiaire Thomas Ziegler testete beispielsweise im Auftrag der Live-Kameraleute eine Mini-Steadycam. Lichttechniker Andreas Schönbächler liess sich hingegen am Effektlichtpult ausbilden: «Das praxisnahe Üben bringt enorm viel, um das Pult kennenzulernen und darauf Routine zu bekommen. Je mehr man üben kann, desto schneller und besser beherrscht man es.»

Und wenn dank der Extraportion Übung am Ende alles reibungslos läuft, freut das nicht nur das Fernsehpublikum. «Für jeden Fachausbildner ist es natürlich das Schönste, wenn die Ergebnisse der Bemühungen später auf dem Sender tatsächlich auch spürbar werden», so Stefan Tüscher.

Text: tpc switzerland ag / Ann-Katrin Frick
Bilder: Dani Gruber

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