«Mein Senf»: Big Data und Journalismus – Es ist kompliziert
In der Rubrik «Mein Senf» lassen wir jeden Monat jemand Junges zu Wort kommen. Dieses Mal stellt sich Konstantin Dörr (29), Kommunikationswissenschaftler an der Uni Zürich, die Frage, warum die Beziehung von Big Data und Journalismus eigentlich ziemlich kompliziert ist.
«‹Odi et amo› – hassen und lieben zugleich, eine emotionale Zwickmühle. Auch der Journalismus sollte seine Beziehung zu Big Data noch einmal überdenken und auf die Frage ‹Willst du mit mir gehen?› mit einem situationsabhängigem ‹vielleicht› antworten.
In meiner Dissertation am IPMZ der Uni Zürich beschäftige ich mich täglich mit den Merkmalen und Auswirkungen des Medienwandels im Journalismus. Gerade die rasanten Entwicklungen im Spannungsfeld von Big Data und einer von Algorithmen geprägten Nachrichtenproduktion sind dabei zentrale Triebkräfte. Doch wer ist in diesem komplexen Beziehungsgeflecht von wem abhängig? Und wer soll den ersten Schritt machen?
Sicherlich, einerseits warten riesige Datenberge nur darauf, von Journalisten durchforstet zu werden. Die Entwicklung neuer Erzählformate, die investigative Aufdeckung neuer Themen, die Analyse und Visualisierung komplexer Zusammenhänge sind im kriselnden Journalismus schnell neue Rettungsanker. Zeit- und Kostendruck sind ja allgegenwärtig. Doch Journalismus sollte diese Veränderungen gerade im Hinblick auf seine gesellschaftliche Verantwortung auch kritisch begleiten.
Denn während der Computer als Werkzeug längst fester Bestandteil der journalistischen Nachrichtenproduktion ist, verändert das Zusammenspiel von Rechenleistung und Big Data nicht nur die tägliche Nachrichtensuche und journalistische Recherche, die Art und Weise wie Nachrichten konsumiert und verbreitet werden, sondern neuerdings auch – wie das Beispiel der automatischen Erdbebenmeldung der LA Times zeigt – wie Nachrichten unabhängig und oftmals ohne direkten menschlichen Einfluss produziert und publiziert werden können.
Die Frage ist nämlich nicht nur, wie man Journalismus gewinnbringend weiterentwickeln kann, sondern auch, wie man auf redaktioneller und verlagsinterner Ebene mit den neuen Fragestellungen nach Zugang, Transparenz, Kontrolle, Objektivität und Herkunft der Daten umgeht. Journalismus muss zuallererst Vertrauen schaffen: bei Lesern, Managern und auch sich selbst. Denn Vertrauen ist immer die Grundlage einer guten Beziehung. Nur so kann aus einem ‹vielleicht› auch ein aufrichtiges ‹ja› werden.»
Konstantin Dörr (29) ist Doktorand am Lehrstuhl «Medienwandel & Innovation» am Institut für Publizistik- und Medienforschung der Universität Zürich und schreibt gerade an seiner Dissertation zu Algorithmic Journalism.
In der Rubrik «Mein Senf» lassen wir jeden Monat jemand Junges zum aktuellen Themenschwerpunkt zu Wort kommen. Alle bisher publizierten «Senf»-Texte findest du unter: #meinsenf
Illustration: Stephan Lütolf
Bild: zVg.
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