«Mein Senf»: Von Chatzebisi und Pandababys

In der Rubrik «Mein Senf» berichtet dieses Mal Gülsha Adilji (29) von ihrem Heimatdörfchen Internettingen. Dort, wo Schokolade auf den Bäumen wächst und man sie einfach so pflücken kann. Einfach so. Traumhaft, oder?

«Für Musik oder Filme bezahlen? Ich bin doch nicht blöd. Wenn man nicht wollte, dass ich es kostenlos runterlade, hätte man es ja wohl kaum so eingerichtet, dass man das problemlos machen kann. Wenn überall Schokoladenbäume mit ganzen Tafeln Schoggi wachsen würden, Pralinen-Bäume, Snickers-Sträuche und für die ganz abartigen Geschmäcker auch noch Noir special 72 Prozent und Bounty – wieso sollte man den Weg ins nächste Dorf auf sich nehmen und dort für die Schoggi bezahlen? Man glaubt es fast nicht, aber ich wohne in so einem Dorf mit genau solchen Schokobäumen. Und Schokoträumen. Seit ich geradeaus denken kann, leben ich und meine Familie in Internettingen. Und ja, wir pflücken uns täglich fast zu Tode, der zartschmelzenden Versuchung kann man auch nach Jahren nicht widerstehen.

Grusigs im Spiel

Zugegeben, mir wurde kurz schlecht als ich erfuhr, wie diese Schoggigewächse gedüngt werden. Vielleicht habe ich auch acht Nächte mit Krämpfen und Erbrechen in meinem Badezimmer verbracht, vielleicht musste ich auch nur einmal kurz aufstossen. Ich möchte euch mit meinen persönlichen Emotionen nicht beeinflussen, ihr habt eure ganz individuelle Gefühlsregung verdient. Schliesst die Fenster, gebt dem Kind irgendetwas Zuckerhaltiges, damit ihr endlich kurz Ruhe habt. Chatzebisi! Es ist Chatzebisi! Und Rückenmarksflüssigkeit von kleinen Pandababys. Wenn jemand dieses Jahr an der SRG-Weihnachtsfeier einen Quiz macht mit der Frage ‹Welches der folgenden Wörter wurde in 100 Jahren genau einmal bei der SRG verwendet?›, wisst ihr die Antwort; es wäre dann wohl Chatzebisi. Ihr gewinnt nicht nur den Früchtekorb, ihr habt auch die Erkenntnis gewonnen, dass immer, wenn in Internettingen etwas kostenlos ist, ein Pandababy sterben muss und grusigs Bisi im Spiel ist.

Irgendjemand muss immer bezahlen, manchmal sogar mit seiner kostbaren Zeit, so zum Beispiel wenn er versehentlich etwas über Schokoladenbäume liest.»

Gülsha Adilji (29) ist Moderatorin beim Fernsehsender joiz. 2012 wurde sie vom Schweizer Journalist zur Newcomerin des Jahres gewählt.

In der Rubrik «Mein Senf» lassen wir jeden Monat jemand Junges zum aktuellen Themenschwerpunkt zu Wort kommen. Alle bisher publizierten «Senf»-Texte findest du unter: #meinsenf

Illustration: Stephan Lütolf
Portrait Gülsha Adilji: Mirjam Kluka

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