«Die Schweiz ist kein Walhalla»

Die Website tvsvizzera.it bietet Informationen für Italiener, die mehr über die Schweiz wissen wollen. Warum es eine solche Seite braucht und warum Italiener dringend Nachhilfe in «Schweizerkunde» nötig haben, fragten wir tvsvizzera.it-Redaktor Riccardo Franciolli.

SRG Insider: Warum braucht es tvsvizzera.it – wo es doch swissinfo.ch für die Schweizer im Ausland und RSI.ch für die Italienischsprechenden in der Schweiz gibt?
Riccardo Franciolli: tvsvizzera.it ist vor allem für Italiener. Zudem berichten wir nicht nur über Schweizer Themen sondern auch über News an der Grenze und in Italien.

Die Italiener haben ja ihre eigenen Nachrichten?
Die Medien in Italien sind politisch abhängig: Rai 1 steht dem Präsidenten Matteo Renzi nahe, Rai 3 für die Linken und die Medien von Silvio Berlusconi berichten über ihn. Viele Italiener schätzen daher tvsvizzera.it als eine neutrale Stimme, die ein aktuelles Thema objektiv betrachtet und einbettet. Italienische Zeitungen berichten oft nur über die News des Tages und stellen sie nicht in einen Zusammenhang. So können viele Italiener die Nachrichten gar nicht einordnen.

Was für ein Bild haben denn die Italiener von der Schweiz?
Obwohl sie unsere direkten Nachbarn sind, haben viele Italiener ein sehr stereotypes Bild von unserem Land: Sie verknüpfen vor allem die Banken, Uhren und die Schokolade mit uns. Mehr wissen sie oftmals nicht oder sind einfach schlecht informiert.

Zum Beispiel?
Jemand bat mich einmal, etwas auf «schweiz» zu sagen (man dachte, so nenne man unsere Sprache). Einige glauben, die Schweiz habe nur vier Kantone oder wissen gar nicht, dass es auch einen italienischsprechenden Teil in der Schweiz gibt.

Dabei gibt es doch viele Grenzgänger, die im Tessin arbeiten. Die kennen doch die Schweiz.
Die meisten unserer Webseiten-Besucher kommen mehr aus dem Norden Mailands sowie dem zentralen und südlichen Teil Italiens – viele aus Rom und Sardinien. Der Grund liegt darin, dass viele in der Schweiz arbeiten wollen. Wenn die Leute nach Arbeit in der Schweiz suchen, findet man sich schnell auf unserer Webseite wieder, da wir viele dieser Suchbegriffe in unseren Beiträgen haben. Damit sie mehr über dieses Land erfahren, versuchen wir ihnen die Schweiz zu «übersetzen».

«Übersetzen»?
Schweizer Gesetze und Formen existieren in Italien nicht: der Bundesrat, unser Militärdienst, die Pensionskasse, die direkte Demokratie. Bei jeder Berichterstattung müssen wir daher für uns einfache Begriffe erklären. Durch unsere Rubrik «La Mia Svizzera», in der bekannte Persönlichkeiten über ihr Leben in der Schweiz erzählen, erhält man eine bessere Vorstellung davon, was es heisst, hier zu leben.

Das klingt nach viel Arbeit. Wie viele Journalisten seid ihr?
Wir sind sieben Journalisten und teilen uns zusammen ein 500% Arbeitspensum. Wir arbeiten sehr eng mit RSI zusammen. Von der Tagesschau, dem «Quotidiano», übernehmen wir sehr viel. Ungefähr 50% sind Eigenleistung.

«Lohnt» sich eine solche Webseite?
Uns gibt es nun seit zwei Jahren. Und die Zahlen sehen gut aus: Wir haben mehr als 120'000 Unique Clients pro Monat und bis zu 7’000 pro Tag.

Warum ist es wichtig, dass die Italiener richtig über die Schweiz informiert sind?
Die Schweiz und Italien werden immer eine spezielle Beziehung zueinander haben, weil sie die zwei einzigen Länder sind, in denen Italienisch gesprochen wird. Die Webseite gibt uns die Möglichkeit dieses Publikum zu erreichen und unser Schweizer Image zu verbessern. Viele Italiener glauben, die Schweiz sei wie eine Art Walhalla. Wir zeigen wie sie wirklich ist – mit ihren Ecken und Kanten.

Hintergrund: Die SRG hat vom Bund den Auftrag, ein publizistisches Angebot zur Förderung der engeren Verbindung zwischen Auslandschweizern und der Schweiz zu erbringen und zum Verständnis für Schweizer Anliegen im Ausland beizutragen. Im Gegensatz zur Westschweiz, die mit TV5 Monde für Belgien und Frankreich und zur Deutschschweiz, die mit 3sat in Deutschland und Österreich zusammenarbeitet, gibt es seit 2006 keine vergleichbare Kooperation mehr für das Tessin. Dank Druck aus der Politik entschied man sich vor zwei Jahren für das Internetportal tvsvizzera.it als Alternative.

Text: Olivia Gähwiler
Bild Riccardo Franciolli: zVg.
Kachelbild: Lie via flickr.com

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