«In der Schweiz ist doch alles ‹Land›»
Wer hat’s erfunden? Handelt es sich um neue Unterhaltungssendungen bei SRF, dann war es wahrscheinlich Yves Schifferle. Als Programmentwickler Unterhaltung bringt er mit neuen Sendungen frischen Wind ins Fernsehprogramm. Doch wie fest berücksichtigt der Stadtzürcher dabei auch das Land? Und welche Themen unterhalten uns alle?
SRG Insider: Was ist die «wahre» Schweiz? Die Stadt Zürich oder die 600-Seelen-Gemeinde Tamins?
Yves Schifferle: Für mich ist es Zürich-Höngg. Wenn ich auf meinem Balkon stehe, überblicke ich die ganze Schönheit der Schweiz: ich sehe Zürich, eine der schönsten Städte der Welt, wie sie den glitzernden Zürichsee umrahmt, dahinter thronen majestätisch die Alpen. Ein Sonnenaufgang auf meinem Balkon treibt mir regelmässig die Tränen in die Augen und löst Gänsehaut aus.
Kann man es als landesweiter Fernsehsender den Stadtzürchern ebenso recht machen wie den Dorfbewohnern von Tamins?
Natürlich, aber nicht jedem mit jedem Programm. Grundsätzlich suchen wir aber nach universellen Geschichten. Geschichten, die für Städter wie auch Landbewohner interessant sind. Eine Beziehungsgeschichte zum Beispiel zwischen Vater und Sohn, welche auf dem Land spielt, interessiert Menschen aus der Stadt genauso. Unsere Geschichten sollen identitätsstiftend sein. Mein Ziel ist es sogar, dass eine Sendung den Zuschauer «verändert». Auch wenn nur im Kleinen. Sie soll berühren, inspirieren, irritieren, zum Nachdenken anregen. Dann haben wir etwas richtig gemacht.
Ob die Geschichte auf dem Land oder in der Stadt spielt, ist also unwichtig?
Genau. Sind wir mal ehrlich, in der Schweiz ist doch alles «Land». Zürich mit seinen überschaubaren 400'000 Einwohnern gilt in anderen Ländern als Dorf (lacht).
Das Fernsehstudio steht in der grössten Schweizer Stadt, viele SRF-Mitarbeiter wohnen vermutlich in Stadtnähe – verstehen Städter das Land oder bedienen sie sich einfach Klischees?
Dieser Gefahr ist man als Macher von Fernsehsendungen immer ausgesetzt. Der Griff zum Klischee ist schnell und einfach, aber sicher nicht befriedigend oder nachhaltig. Jede Geschichte verdient und verlangt von den Machern eine differenzierte, respektvolle Auseinandersetzung und Abbildung. Das sind wir unseren Protagonisten, wie auch unseren Zuschauern schuldig. Dann läuft man auch nicht Gefahr, sich im Klischee zu verlieren. Wenn sich unsere Zuschauer in den Geschichten wiedererkennen, sind es gute Geschichten.
Und wie findet man gute Geschichten?
Man muss mit wachem Auge und neugierig durch die Welt gehen. Ein ehrliches Interesse an Menschen und ihren Geschichten ist von Vorteil. Selber ein regelmässiger Geschichtenerzähler sein, am Stammtisch, im Freundeskreis, im Verein. Und viele Geschichten konsumieren: ein Buch lesen, ins Kino gehen, dem Grossvater zuhören, die Eltern ausfragen.
SRF muss also nicht den Stadt-Land-Graben überwinden?
Nein, weil es ihn nicht gibt. Wir sind alle Menschen und haben mehr gemeinsam, als wir manchmal denken: Die gleichen Ängste, Freuden, Probleme, Hoffnungen oder Träume. Stress bei der Arbeit, eine schlimme Krankheit, der Kinderwunsch, Überforderung bei der Kindererziehung, eine schwierige Liebesbeziehung, wahre Freundschaft, die Traumferien, ein Haus bauen - das interessiert doch alle Menschen, egal ob in Zürich oder in Tamins.
Yves Schifferle (40) weiss, wie man Fernsehen macht. Er entwickelte, produzierte oder leitete für SRF Sendungen wie «Happy Day», «Der Match», «Aeschbacher» oder «Benissimo», für ProSieben «Rent a Pocher». Seit Februar 2016 ist er wieder zurück bei SRF als Programmentwickler Unterhaltung. Yves lebt in der Stadt Zürich und hat fünf Fernseher.
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