«Noch ist das VR-Jahr 2016 nicht zu Ende»
Seit Jahrzehnten wird uns die virtuelle Realität versprochen. Und tatsächlich schiessen diverse VR-Brillen wie Pilze aus dem Boden. Doch was bekommt man für sein Geld? Und wohin wird die Reise noch gehen? Martina Gassner von SRF Digital berichtet über ihre Erfahrungen und zieht ein Fazit.
Gerade haben wir in der Redaktion von SRF Digital «Virtual Reality» zum Wort des Jahres nominiert. Während der letzten Monate sind immer wieder Modelle eingetrudelt. Nun ist es höchste Zeit – kurz vor dem Weihnachtsgeschäft – weiterzugeben, was wir gelernt haben.
First Things First
- VR-Spiele machen nur Sinn, wenn ich mich durch das Spiel bewegen kann: Online Poker spiele ich lieber an einem normalen Bildschirm.
- Die virtuelle Realität ist endlos, das Wohnzimmer nicht: Darum funktionieren zurzeit vor allem Spiele gut, in denen ich in einem Cockpit sitze und mich nicht bewegen muss.
- Killer Apps fehlen: Noch lässt kein Spiel Gamerherzen langanhaltend höher schlagen. Doch das ist nur noch eine Frage der Zeit.
- Wer nicht spielen will, soll sehen: Demos, in denen man passiv durch eine virtuelle Welt geführt wird, gibt es mehr als genug.
- Virtual Reality Sickness: Eine grosse Herausforderung. Wegen widersprüchlichen Signalen versucht unser Hirn, wahrgenommene Eindrücke auszugleichen, die gar nicht existieren.
- Virtual Reality kann sich jeder leisten: Aktuell gibt es drei Brillen im oberen Segment (550 und 1000 Franken) und mehrere Modelle im Niedrigpreis-Segment (20 und 100 Franken).
- Vor dem Kauf einer Brille müssen wir diese Fragen klären: Was erwarten wir von der virtuellen Realität – und wie viel sind wir bereit, dafür zu investieren?
Wenn drei sich streiten...
Die «HTC Vive» hat die Nase vorn. Keine andere Brille schafft das Tracking so punktgenau und ermöglicht die Bewegung im Raum. Voraussetzung: Ein grosses Wohnzimmer. Neben den rund 900 Franken für die Brille müssen aber noch gut 1500 Franken für einen leistungsfähigen PC einkalkuliert werden.
Die Zweite im Bunde heisst «Oculus Rift». Dass sie gut 100 Franken weniger kostet, merke ich auch an der Hardware. Nichtsdestotrotz funktioniert sie sehr genau. Ein leistungsfähiger Computer ist jedoch Pflicht. Dass man die «Oculus Rift» nur im Sitzen nutzen kann, schmälert das VR-Gefühl momentan noch sehr. Zum Stehen benötige ich Motion Controller – die liefert der Hersteller erst im Dezember nach.
Last, but not least, die «Playstation VR». Sie soll die virtuelle Realität ins Wohnzimmer bringen und hat im Hinblick aufs Weihnachtsgeschäft gute Chancen. Denn neben dem Preis hat Sony weitere schlagende Verkaufsargumente: Ich brauche keinen PC, die Brille ist schnell installiert und sitzt bequem. Doch beim intensiveren Einsatz wird sichtbar: Die «Playstation VR» hat ein ungenaues Tracking, ein eingeschränktes Sichtfeld und eine niedrige Auflösung.
...freut sich der Vierte
Während sich die grossen Drei um Marktanteile und technische Errungenschaften streiten, mausern sich Smartphone Headsets zur ernst zu nehmenden Alternative. Das sind günstige Brillen, die nicht viel mehr als zwei Sammellinsen eingebaut haben. Ich kann meinen Computer beispielsweise spiegeln oder Filme aller Art (*hust* ja – auch diese!) ansehen. Allerdings stören mich die Bildqualität und die Zeitverzögerung.
Wohin geht die Reise?
Diese Frage versuchen Pioniere aus den unterschiedlichsten Gebieten zu klären. Viele haben mittlerweile Blut geleckt: Architekten zeigen entworfenen Häuser, Lehrer ihren Biologieunterricht, erste Konzerte und Sportevents werden übertragen, Kunst und Filme lassen sich neu erleben und Phobien aller Art wurden mittels Virtual Reality bereits geheilt.
Ich will meine liebsten Spiele in Lebensgrösse selbst erforschen gehen(!). Und genau dieses immersive Gehen sollen in Zukunft High-Tech-Laufbänder (Treadmills) ermöglichen und für feuchte Gamer-Träume sorgen: In diesen Tagen verschifft «Virtuix Omni» die ersten Modelle an seine Vorbesteller. Ähnliche Kickstarterprojekte sind im Gange.
Mir sagt das: Ich bin wohl nicht die Einzige, die genau darauf hofft und wartet. Denn noch ist das VR-Jahr 2016 ja nicht zu Ende.
Text: Martina Gassner/lc
Bilder: SRF
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