Wie laut darf's denn sein?
Journalisten senden gerne. Sie schreiben in der Zeitung oder reden am Radio und werden täglich von zig Tausenden gelesen oder gehört. Das gehört zum Beruf. Doch seit einigen Jahren können sich Journalisten auch als Einzelperson ein eigenes Publikum aufbauen – dank Social Media.
«Wenn ich mich als Journalist behaupten möchte, muss ich mir Gedanken machen, wie ich mich als Ich-AG am Markt positioniere», sagt Jonas Stäheli. Ich treffe ihn an der Veranstaltung «Journalismus jetzt» – einer Veranstaltung für junge Leute, die sich für Journalismus interessieren. Journalismus-Interessierte. Jonas schreibt bereits gelegentlich für www.tsri.ch und überlegt sich, ob er bald ganz in den Journalismus einsteigen möchte.
Er ist nicht der einzige, der sich bewusst ist: Die sozialen Medien bieten jedem die Möglichkeit, sich online zu präsentieren. Was aber dazu führt, dass jeder einzelne das Gefühl hat, dies auch tun zu müssen. Patrick Züst, angehender Silicon Valley Korrespondent der AZ Medien sagt gar: «Meinen Twitter-Account habe ich nicht aus freien Stücken.» Er erhoffe sich aber Vorteile, wenn er sich auf Twitter präsent zeigt.
Fluch oder Segen?
Sind die neuen Möglichkeiten also Segen für laute Egomanen aber Fluch für die stillen Schaffer? Daniel Foppa, Leiter des Inlandressorts beim Tagesanzeiger gibt zu: Es könne durchaus sein, dass ein Talent bei einer kleinen Zeitung schlummert, aber nicht wahrgenommen wird.
«Wenn das stille Talent still bleibt, dann ist das primär sein Problem.»
Das sei aber auch schade aus Sicht des Tagesanzeigers, wenn man so jemanden nicht erkenne. Der Umkehrschluss, dass wer laut schreit, bessere Chancen habe, verneint Foppa aber: «Dann schaue ich mir an, wie einer schreibt oder recherchiert. Das ist am Ende das entscheidende Kriterium.»
Der schmale Grat
Wer auf Social Media präsent ist weiss: Werbung nervt dann, wenn sie zu aufdringlich oder plump ist. Das gilt auch für die Selbstvermarktung. Wer zu laut schreit, kann sich dadurch auch unbeliebt machen.
Wie viel Eigenwerbung es denn sein darf, hängt natürlich auch davon ab, was man damit bezwecken will. Wer bei Vice arbeiten möchte, tut gut daran, sich auch einmal aus dem Fenster zu lehnen. Mit dieser Wortwahl kann man sich aber bei einem anderen Arbeitgeber viel Goodwill verspielen.
Ein aus unserer Sicht starkes Stück Selbstvermarktung ist Martin Giesler’s Medium-Artikel 99 Gedanken zur Entwicklung von Social Media und Journalismus. Eine anregende Liste – Punkt 99 wird euch zum Schmunzeln bringen.
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