«Keine Story ist es Wert, sein Leben dafür zu riskieren»
Sie sind überall auf der Welt verteilt. Zum Teil an sicheren, zum Teil an weniger sicheren Orten: Die Auslandkorrespondentinnen und Auslandkorrespondenten von SRF. Wie sie auf ihre Einsätze vorbereitet werden und wo die Grenzen der Berichterstattung liegen, das haben wir Gregor Sonderegger, Chef der Auslandkorrespondenten bei SRF, gefragt.
SRG Insider: Berichterstattung so nahe wie möglich versus persönliche Sicherheit – wo setzt ihr die Grenzen?
Gregor Sonderegger: Wir verbieten Korrespondentinnen und Korrespondenten, an vorderster Front zu sein, sich in Kampfhandlungen verwickeln zu lassen oder sich für ein Bild oder eine Geschichte in Lebensgefahr zu begeben. Bei Einsätzen in Kriegs- und Krisengebieten gilt auch die Spielregel, dass immer gemeinsam im Team festgelegt wird, wo die Grenzen liegen. Wenn ein Teammitglied sich nicht mehr wohl fühlt, dann wird abgebrochen. Häufig ist es das Bauchgefühl, das entscheidet, ob man das Risiko nun eingeht oder nicht.
Die Korrespondenten sind vor Ort also nicht auf sich allein gestellt?
Korrespondenten arbeiten natürlich mit den Kameraleuten und daneben häufig mit lokalen Kontaktpersonen, sogenanten «Stringern», zusammen. Es ist enorm wichtig, dass man Leute um sich hat, die die Situation kennen. Ich selbst habe in Russland und Afghanistan erlebt, dass sich diese Vertrauenspersonen oft für dich verantwortlich fühlen und auch sehr weit gehen würden, um dich zu beschützen.
Wie findet man solche Vertrauenspersonen?
Die Korrespondentinnen und Korrespondenten bauen sich mit der Zeit ein Netz von Leuten auf und diese Kontakte werden natürlich auch an Nachfolger weitergegeben.
Machen das alle Medienhäuser gleich?
Wenn wir in Kriegsgebiete reisen, halten wir uns in der Regel an den internationalen Tross. Wir erkundigen uns, ob es Orte und Situationen gibt, die einigermassen sicher sind, wo sich auch andere Journalisten und Teams bewegen. SRF hat nicht so viele finanzielle Mittel wie etwa CNN. Diese engagieren in Krisengebieten häufig professionelle Sicherheitsfirmen – ehemalige Soldaten und Marines beschützen deren Korrespondenten. Diese Sicherheitsvorkehrungen kosten ein Vermögen und diese Mittel haben wir nicht. Aus diesem Grund erwarten wir von unseren Korrespondenten, dass sie ihre Sicherheit an oberste Stelle setzen. Keine Story ist es Wert, sein Leben dafür zu riskieren.
Wie werden die Mitarbeiter auf ihren Einsatz in Krisengebieten vorbereitet?
Kameraleute und Auslandkorrespondenten sollten das «Hostile Environment Safety Training»* absolviert haben. In diesem Training werden sie auf Situationen vorbereitet, die in einem Einsatz auftreten können. Alle Korrespondentinnen und Korrespondenten, welche in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs sind, nehmen an diesem Training teil. Ausnahmen müssen bewilligt werden.
Ist ein Auslandkorrespondent eigentlich gegen eventuelle Gefahren versichert?
Ja. Neben der Auslandversicherung kam vor ein paar Jahren die Versicherung «Crisis 24» dazu, welche Entführungs- und schwierige Rückführungssituationen abdeckt. Situationen mit denen wir überfordert wären. Diese Versicherung würde beispielsweise die Verhandlungen führen, wenn jemand entführt würde.
*Das «Hostile Environment Safety Training» dauert eine Woche und wird von der European Broadcasting Union (EBU) angeboten. Über den Inhalt des Trainings wird im Vorfeld nichts verraten, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen besseren Lerneffekt haben, wenn sie nicht wissen, was sie erwartet.
Interview: Pascale Widmer/lv
Titelbild Pascal Weber, Nahost-Korrespondent SRF: SRF/Pascal Mora
Porträt Gregor Sonderegger: SRF/Oscar Alessio
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