Wie die Musik für «Der Bestatter» entsteht

Jedes Mal, wenn du den «Bestatter» schaust, hörst du ihn – aber: sehen tust du ihn nie: Raphael B. Meyer ist der Mann, der die Musik zur SRF-Krimiserie komponiert. Wir waren in seinem Keller-Tonstudio und haben vor allem eines: Zugehört.

SRG Insider: Was ist für dich die Serie mit der besten Musik? Mit der besten Titelmelodie?
Raphael B. Meyer: Schwierig, ich schaue eigentlich keine Serien – ich mag Filme lieber. Da gefällt mir zum Beispiel Bruno Coulais, der u.a. die Musik für «Les Choristes» geschrieben hat. Genauso mag ich Alexandre Desplat, er hat es in «The Grand Budapest Hotel» geschafft, Instrumente miteinander zu kombinieren die auf den ersten Blick nicht miteinander kombiniert werden können. Und: Den Soundtrack im Gipsy-Stil zu «Sherlock Holmes» von Hans Zimmer fand ich sehr innovativ.

Du hast neben der Musik in der Serie auch das Intro zu «Der Bestatter» komponiert. Wie ist dieses entstanden?
Wir – also der Produzent Markus Fischer, Sven Volz von SRF und ich – haben uns gefragt, welche Klangfarbe die Serie und insbesondere das Intro haben könnte. Zu Beginn hatte ich rund fünf verschiedene «Themen» und davon wiederrum einige Variationen, die ich mir vorstellen konnte. Ich zeige sie dir nachher gerne. Als erstes wollte ich eine eingängige, singbare Melodie entwickeln:

Das war schon mal ein Ohrwurm. Aber wir haben uns gefragt, ob das Thema Tod und Krimi damit abgebildet werden. Beim Titel «Bestatter», da kommt mir die Totenmesse in den Sinn. Typisch für eine Totenmesse ist für mich das «Lacrimosa», der Satz, der ausschliesslich in einem Requiem vorkommt. Daraus ist dann folgendes entstanden:

«Lacrimosa» ist zwar schön, aber irgendwie auch zu heftig, habe ich mir hier gedacht. Eigentlich wären auch Kirchenglocken schön. Kirchenglocken, Gesang und reduzierte Musik:

Wir haben hier dann am Tempo rumgespielt und eine ganz langsame Fassung produziert. Und sind dann schliesslich doch wieder bei der ersten Idee gelandet (jetzt aber mit den Glockenschlägen angereichert):

Du hast den Tod bereits angesprochen, welche anderen Überlegungen liegen dieser Komposition zu Grunde?
Der Bestatter ist gemütlich und empathisch – er muss Vertrauen wecken – er hat auf seine Art etwas Erhabenes oder Graziöses und gleichzeitig schwingt bei ihm immer die Melancholie mit. Sei es, weil er Hinterbliebene bei der Trauerarbeit begleitet – weil er selbst mit seiner Vergangenheit etwas hadert. Irgendwie trauert er ja immer noch seinem alten Polizei-Beruf nach und möchte dann doch nicht zurück, denn als Bestatter hat er seine Berufung dann doch gefunden. Deshalb waren alle Beispiele auch in «Moll». Was aber eben dann doch wichtig ist, ist das «ermittlerische» Element, dieses Kriminalistische, dem haben wir dann mit viel Perkussion gegen Ende des Openers Ausdruck verliehen.

Worauf musstest du dich bei der Musik für den «Bestatter» besonders achten?
Im «Bestatter» kommen verschiedene Stilrichtungen vor: vom barocken Stilimitat bis zu Schlager im vergangenen Jahr, Techno und Gothic. Eine weitere Besonderheit ist, dass ich dank der einzelnen Staffeln viel Zeit hatte, die Figuren musikalisch weiter zu entwickeln. Dieses Jahr werde ich an Staffel 7 arbeiten. Da werden mir wieder Themen begegnen, die ich vor 7 Jahren komponiert habe und die ich jetzt an die Schauplätze der neuen Staffel anpassen werde. Ein 90-minütiger Film hat vielleicht 60 Minuten Musik – beim «Bestatter» liegen im Moment schon ca. 20 Stunden Musik für 34 Episoden vor. Eine Serie gibt mir also sehr viel Freiheit, damit sich ein Thema – zusammen mit dem Filmcharakter – entwickeln kann.

Wie gehst du beim Komponieren vor?
Zuerst schaue ich mir das Filmmaterial an und bespreche mit dem Regisseur, wo es Musik braucht. Für das Schreiben der Musik habe ich pro Folge eine Woche Zeit. Ich schreibe die Noten direkt in den Computer (das klingt dann erstmal ziemlich schrecklich). Danach kommt das Werk in den Sequenzer, wo ich es mit Samples, also einzelnen Aufnahmen von einzelnen Tönen, zusammensetze. Einzelne Teile nehme ich mit Solisten auf – der Rest kommt aus dem Computer.

Komponierst du drauf los oder schön Szene für Szene?
Innerhalb einer Episode arbeite ich nicht chronologisch, sondern themenbezogen. Ich mache mir zu Beginn eine Liste mit allen Szenen und notiere mir, welches Thema in welcher Szene vorkommen wird – dann weiss ich genau, wie viel Musik ich in einer Woche komponieren muss. Pro Tag arbeite ich an mehreren Szenen, die sich ein bis zwei musikalischen Themen bedienen und arbeite mich dann so durch alle Episoden der Staffel.

Besteht beim Komponieren eigentlich die Gefahr, dass du einem anderen Soundtrack zu ähnlich wirst?
Natürlich. Immer. Ich höre ja in meiner Freizeit sehr viel Musik, u.a. auch Filmmusik. Alles, was ich komponiere, findet ihren Ursprung ja auch in meiner eigenen Hörerfahrung. Offensichtlich etwas zu kopieren, ist natürlich ein No-Go. Aber unbewusst kommt es schon vor, dass man eine irgendwann mal gehörte Harmoniewendung, ein Melodiefragment oder einen Rhythmus imitiert. Den Fall hatte ich kürzlich, als ich ein Heft für Blockflötenensemble herausgab. Nachdem wir etwa ein halbes Jahr daran gearbeitet hatten, merkte der Verlag, dass es Parallelen zu «Lion King» gab. Die Parallelen waren nicht offensichtlich, aber doch wollte man kein Risiko eingehen. Ich habe die Passage dann umkomponiert.

Raphael B. Meyer hat an der Schola Cantorum Basiliensis und der Hochschule für Musik in Basel Schulmusik II studiert – mit Blockflöte im Hauptfach. Ursprünglich hat er vor allem Musik für Computerspiele komponiert – dies ohne jemals ein Spiel gespielt zu haben. Neben dem «Bestatter» hat er Musik für Dokumentar- und Spielfilme produziert.

Interview: Luca Passerini
Bild: SRF/Sava Hlavacek
Porträt Raphael B. Meyer: zVg.

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