Praktiblog #3: Leben am Limit

3 Zimmer, kein Balkon und keine Abwaschmaschine. Ah: Und kein Wohnzimmer! Insider-Fernpraktikant Jan arbeitet immer noch aus dem Homeoffice: einer 3er-WG in Bern. Wie läuft sein Alltag ab? Wo entstehen Konfliktherde abseits der Arbeit? Und: Kann in einer kleinen Wohngemeinschaft wirklich genügend Abstand gehalten werden? Jan hat verschiedene Tipps von unseren SRF-Gspändli im «Real Life» ausgetestet.

Mental Health Meltdown

Ich erinnere mich: Lockdown Woche 1! Da war alles noch ganz neu, aufregend und ungewohnt. Was passiert mit unserem Land? Wow, Alain Berset trägt Mafiahut! Wie wird sich die Gesellschaft verändern? Bekomme ich weiterhin meinen gewohnten Lohn? Pure crazyness! Von Tag zu Tag und von Woche zu Woche nahm dieser anfängliche Nervenkitzel aber ab und das Fehlen von gewohnten Tagesabläufen ging mir echt an die Nieren. Ähnlich wie Lena und Livio in ihrer «Unzipped»-Reportage bemerkte ich schnell: Vom Bett aus im Gammelmodus zu arbeiten, macht etwas mit dem Kopf. Spoiler Alert: Etwas Negatives. Ok, ok: Ich habe mich immerhin (in Kleidern) an meinen improvisierten Schreibtisch gesetzt und versucht mit stündlichem Kaffee kochen eine Art Routine zu entwickeln, wie es der Nasa-Berater Jack Stuster in einem Video von «SRF Forward» empfohlen hat. Lange ging diese Taktik gut und ich konnte mich in meinem Motivationsboot über Wasser halten. Dann folgte mein persönlicher Meltdown und ich wurde von der Realitätswelle verschlungen.

Tschüss Festivalsommer

Keine Freunde mehr umarmen! Sonnenschein gibt’s fast nur durchs Fenster. Der Festivalsommer fällt nun definitiv auch ins Wasser! Die eigenen vier Wände kommen immer näher (inklusive der Decke). Geht es anderen wohl auch so? Und das Beste daran (Achtung Ironie): Der Zustand Homeoffice wird für mich und meine Gspändli voraussichtlich bis Anfang Juni anhalten. Da musste eine lange Joggingrunde im Wald um die Ecke her. Frische Luft hilft! Und dann gibt’s ja in meinem Fall auch noch nette Mitbewohnerinnen, die die Zeit mit mir gemeinsam durchstehen. Immerhin sind wir ja alle im gleichen Boot. Wenn ich amigs den Podcast «Zäme dihei» von Lena und Caroline höre, erkenne ich schon gewisse Parallelen zu meiner Situation, bin aber auch froh, dass ich nicht alleine wohne.

Physical Distancing? Fehlanzeige!

Wie läuft denn das nun in einer kleinen 3er-WG mit diesem Physical Distancing, fragst du dich? Ich sags dir: Gar nicht. Während meine zwei Homeoffice- und Wohngspändli meistens in ihren Zimmern einer virtuellen Vorlesung lauschen, sitze ich in der Mitte der Wohnung an unserem gemeinsamen Esstisch. Wir laufen uns aber ständig über den Weg. Denn auf den wenigen Quadratmetern können wir uns kaum mit genügend Abstand zueinander bewegen. Das sorgt dann jeweils für gewisses Konfliktpotenzial: Beispielsweise, wenn ich arbeiten will und jemand anderes will staubsaugen. Oder wenn ich schlecht geschlafen habe und dann morgens in der Küche den noch nicht abgewaschenen Geschirrberg vom Festmahl am vergangenen Abend antreffe. Leben am Limit! Toleranz und offenes Kommunizieren ist dann angesagt. Aber zurück zu den Ratschlägen vom BAG: Würde jemand von uns Symptome aufweisen, wäre es unmöglich, diese Person ernsthaft in Quarantäne zu stecken. Ich meine: Ein anderes Bad benützen als die anderen in der WG, so wie Chefvirologe Daniel Koch vorschlägt?! Fehlanzeige: Leider verfügen wir nicht über eine 5-Zimmer Villa mit Seeblick... Aber den Gurten sehen wir (yes!).

Die Sonnenseite des Lockdowns

Vergangenes Wochenende waren wir dann auch als WG auf dem Gurten. Mit den Velos bis an den Fuss des Berner Hausbergs gefahren, haben wir uns an der prallen Sonne an den steilen Aufstieg gewagt (mussten wir auch, denn das Bähnli war natürlich «out of service») – da kam bizzli Gurtenfestival-Feeling auf... Auch wenn dieses Jahr mein Lieblingsfestival gecancelt ist, kann man schon sagen, dass die Lockdown-Phase auch eine positive Seite hat. Das WG-Gemeinschaftsgefühl ist merklich noch grösser geworden. Ich wurde zum Beispiel beim Filmen meiner ersten Instastory für SRG Insider mental (und kameratechnisch) unterstützt!

Auch wenn wir nicht gleich täglich auf den Gurten wandern, gibt es weitere Tätigkeiten, die wir entdeckt haben: Gemeinsames Mittagessen, gemeinsames Jammern über die aktuelle Situation oder gemeinsames Cocktailmixen. Und die Wohnung haben wir auch neu eingerichtet, ein Holzregal gebaut und natürlich gepuzzelt (ein Spieliabend zu dritt ist eben leider bizzli schwierig). Da haben wir uns die Tipps vom Nasa-Berater zu Herzen genommen. Langweilig wird es also kaum, ansonsten können wir ja immer noch «Stadt-Land-SRG» austesten!

Text: Jan Müller
Bild: Jan Müller

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