«Geek-Sofa»: Game-Accessibility für Blinde
Beim «Geek-Sofa» von SRF Digital wird nur über irgendwelchen Gaming-Kram geplaudert? Voll nöd. Den Beweis dafür liefern dir Host Martina Gassner und ihr Gast Daniele Corciulo beispielsweise in Folge #237. Daniele ist nämlich sehbehindert – das hält ihn aber nicht davon ab, das Game «The Last of us» zu zocken. Welche Rolle die Barrierefreiheit für ihn spielt, darüber spricht er im virtuellen Talk mit Martina.
Es ist ein nervenaufreibendes Szenario in «The Last of us»: Man steuert ein Teenager-Mädchen durch eine Ruine, während rundherum abscheuliche Zombies herumstolpern und auf der Lauer sind. Jetzt bloss keinen falschen Schritt machen. Erst einmal beobachten und abwarten, in welche Richtung die Gegner weiterlaufen. Erst einmal nachschauen, wo der nächste Fluchtweg ist.
Diese Orientierung geschieht bei vielen Gamern instinktiv – für Daniele Corciulo ist das jedoch etwas komplizierter. Daniele ist nämlich seit seiner Geburt sehbehindert und nimmt nur ein Prozent seiner Umgebung wahr. Das hält ihn jedoch nicht vom Videospielen ab.
Früh schon gelernt
Schon als Kind ist Daniele ziemlich angetan von Games jeglicher Art. Als kleiner Knopf versucht er sich an einem Flipperkasten, obwohl er vom Spiel optisch kaum etwas wahrnehmen kann.
Auch wenn das Paradox klingt, aber mich haben einfach die Geräusche fasziniert.
Daniele Corciulo
Zusammen mit Freunden und Familie versucht er sich dann an seinen ersten Videospielen. Daniele spielt, während ihm jemand an seiner Seite sagt, wann er zum Beispiel springen oder ausweichen muss. «Jedes Level, das wir damals geschafft haben, hat uns stolz gemacht.»
Barrierefrei durch Audio und Vibration
Heute funktioniert das Zocken für ihn jedoch auf eine andere Weise. Einen grossen Beitrag hat dafür das Spiel «The Last of us» geleistet. Bei dem Action-Adventure wurde nämlich ein besonderes Augenmerk auf die Accessibility gelegt.
Im Spiel erhält Daniele regelmässig Audiohinweise, die ihn unterstützen. Ausserdem kann er seine Spielfigur mit nur einem Tastendruck auf das aktuelle Ziel ausrichten. Vibrationen des Controllers leiten ihn zudem durch Aufgaben, bei denen sein Rhythmus-Gefühl gefragt ist. Vor gut einem Jahr war er somit dabei, als die Redaktion von SRF Digital das Spiel im Rahmen eines Streams angespielt hat.
Barrierefreiheit heisst für Daniele, dass er ein Spiel komplett ohne fremde Hilfe bewältigen kann. «Der Ausdruck ‹ohne fremde Hilfe› ist sehr wichtig», sagt er. «Nur so kann sichergestellt werden, dass der Zugang für alle gleich ist.»
Noch keine Norm
Leider bildet «The Last of us» in diesem Bezug eine Ausnahme. Zwar bemühen sich die Spielehersteller um einen vielfältigen Zugang zu ihren Titeln. Doch in vielen Fällen werde laut Daniele nicht genug gemacht.
«Die meisten Spiele machen zwar schon grundsätzliche Sachen, wie zum Beispiel die Sprachausgabe in Hauptmenüs. Aber im Spiel selbst fehlt diese Hilfe dann.» Dadurch ist es für Daniele schwierig, sich im Game zu orientieren:
Das Bewusstsein, wie ein Blinder spielt, fehlt oft.
Daniele Corciulo
Ein langer Weg
Auch in der Digitalisierung sieht er grosses Potenzial für die Barrierefreiheit. Denn oft würden genau hier neue Hürden aufgebaut: «Für mich ist es ein Problem, wenn Websites nicht genau genug beschrieben sind.» Das sei besonders bei Online-Bestellungen mühsam, da man nicht immer alle Produkte kostenlos zurückschicken könne.
Ein Vorbild für die Accessibility könnte also mit «The Last of us» ein Titel aus der Game-Branche werden. Welche weiteren Spiele Daniele zockt, wie er sich bei seiner Arbeit für Barrierefreiheit einsetzt und welche Rolle das Smartphone für ihn spielt, erfährst du in Episode #237 vom «Geek-Sofa».
Zur Person
Daniele Corciulo ist 36 Jahre alt und wohnt seit mehr als zehn Jahren in Zürich. Er hat eine Berufsmatur abgeschlossen und ist derzeit als Accessability-Berater für die Uni Zürich tätig. Dort kümmert er sich unter anderem um die Zugänglichkeit von Webapplikationen der Universität.
Text: SRG Insider
Bild: SRF
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