«Humor sells»: Das war der «SRF Writer's Day 2022»
Gibt es den einen Schenkelklopfergarant, der in Filmen, Serien oder Sketches immer zieht? Das kann man so pauschal leider nicht sagen, da das Ganze bizzli komplizierter ist. Was sie selber lustig finden und wie sie mit Humor in der Fiktion umgehen, haben Autorin und Regisseurin Natascha Beller, Drehbuchautor André Küttel, Comedian Viktor Giacobbo und Humorforscher Prof. Dr. Willibald Ruch am «SRF Writer’s Day» verraten.
Was bedeutet es, auf Abruf lustig zu sein? Und wie funktioniert Humor in fiktionalen Geschichten? Über diese und weitere Fragen haben vier Humor-Profis am «SRF Writer's Day» diskutiert. Wir haben fleissig mitgelauscht und einige Anekdoten aus dem Gespräch für dich zusammengebüschelt.
Natascha Beller
Drehbuchautorin und Regisseurin Natascha Beller sagt über sich, dass sie aus einem lustigen Haushalt stammt. Vor allem ihre Mutter sei superlustig – nur wisse sie das selber nicht. Sie sei aber eine grosse Inspiration.
«Ich lache sehr schnell», erzählt sie – vor allem aber über makabere Witze. Was sie aber objektiv gar nicht funny findet: Humor, der auf Minderheiten oder Schwächere abzielt.
Einige Kostproben ihres Sinnes für Komik gibt’s übrigens in der Serie «Advent, Advent», dem Spielfilm «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» oder dem viralen Hit «America First, Switzerland Second» zu entdecken.
«Ich glaube, dass ich sehr offen bin für viele Arten von Humor – was nicht alle sind.»
Humor empfindet sie als eine sehr individuelle Sache. Sie habe auch schon Feedback auf ihren Film oder die Late-Night-Show erhalten, das damit begonnen habe: «Ich habe einen sehr anspruchsvollen Humor, aber das fand ich jetzt lustig.» Ihrer Meinung nach funktioniert Humor für den Mainstream am besten mit Dingen, in welchen sich die Leute selber wiedererkennen.
André Küttel
Für Vollblut-Autor André Küttel ist Humor eine Mischung aus Instinkt und Erfahrung. Er habe sehr viel aus «The Comic Toolbox» von John Vorhaus gelernt und schöpft auch heute noch viel aus diesem Standardwerk. Das nicht nur für Spielfilme und fiktive Serien wie «The Ring Thing», «Recycling Lily» oder «Die Beschatter», sondern auch als Ghostwriter für verschiedene Schweizer Comedystars .
Er bedient aber auch sehr erfolgreich andere Genres, wie er mit dem Script zum Drama «Platzspitzbaby» bewiesen hat.
«Ich spüre relativ früh, ob das eine Komödie sein könnte oder ein Drama.»
Grundsätzlich müsse die Geschichte flutschen, auch ohne den Humor.
Sehr oft werde nämlich versucht, schon bei einem Exposé irgendwelche Pointen reinzuquetschen. «Zuerst muss aber die Story funktionieren, damit das organisch gelingt.» Sonst habe man beim Lesen schnell das Gefühl, dass es sich um Sauglattismus handle. Wichtig seien dabei vor allem die emotionalen Stellen. Beim Schreiben von Komödien gehe man manchmal auch gewisse Risiken ein, schildert André. Es kann nämlich heikle Angelegenheiten geben, die zuerst abgeklärt werden müssen. «Wir haben im Writer’s Room auch schon über Witze diskutiert, die wir wahnsinnig lustig fanden. Aber wir wussten, dass wir diese nicht bringen können. Dass sie zu böse, zu verletzend oder zu kompliziert waren.» Manchmal kriege man aber trotz aller Bemühungen Probleme mit der Ombudsstelle.
Viktor Giacobbo
Comedian Viktor Giacobbo habe irgendwann gemerkt, dass er mit Humor einiges bewirken könne. «Das, was meine Mutter über meine Tante gesagt hat, als die Tante nicht anwesend war – habe ich gesagt, als meine Tante anwesend war.» Damals habe er die Schlagkraft der Satire erfasst und dann versucht, das Ganze bizzli professioneller zu machen.
Ob die Komik von geschriebenen Texten auch am Bildschirm funktioniert, könne er schon relativ früh erahnen. Deshalb gehöre für ihn beim Arbeiten auch dazu, dass er sich amüsiere.
Humor ist es einfach dann, wenn ich es lustig finde – und das können alle von sich sagen.
Es stände immer die Frage im Raum, wer was lustig finde, meint Viktor: «Ist es nur die Pointe oder ist es auch der Standpunkt derjenigen Person, welche diese Pointe bringt?». Bei ihm sei der Weg von der Idee für eine Pointe bis zur Ausführung jeweils sehr kurz. Denn für die Sketches oder Filme habe er häufig für eigene Figuren geschrieben und Personen, die mitgespielt haben. «Ich habe bereits da gewusst, wie diese spielen und sprechen.» Er ist bei seinen Stücken deshalb nicht nur der Drehbuchautor, sondern auch der Darsteller und der Komiker. Und da sei einfach eine ganz andere Kreativität vorhanden, wenn auch die anderen Darstellenden viel von Komik verstehen. «Am Schluss entscheidet über den Humor und die Komik die Künstlerin oder der Künstler und nicht die Produzenten, Geldgeberinnen oder Fernsehredaktion», ist er überzeugt.
Prof. Dr. Willibald Ruch
Prof. Dr. Willibald Ruch hat sich schon als Kind für Humor aller Arten interessiert. Inzwischen forscht der Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik der Uni Zürich schon seit bald 40 Jahren zum Thema. Von Journalist:innen und Journalisten werde er übrigens immer wieder gefragt, ob er seinen Lieblingswitz erzählen könne. Sein Konter darauf: «In der Aggressionsforschung muss man es auch nicht demonstrieren.» Er habe allerdings schon einen höheren Humor-Durchschnittswert als andere Menschen. Aber schlussendlich müsse er als Forscher ja schreiben und denken und nicht unbedingt lachen.
«Alles, was zum Lachen anregt, ist Humor – auch wenn es derbe ist.»
Je nach Persönlichkeit fände man bestimmte Sachen interessant und andere weniger. Und genauso verhalte es sich auch mit dem Humor.
Es gäbe zwar einige Merkmale, die dabei helfen, damit man eine bestimmte Art von Humor lustig finde, das Ganze sei aber sehr komplex. Eine Definition für Humor, welche sich weltweit durchgesetzt habe, gebe es imfall nicht. «Es geht immer um etwas nicht Stimmiges , das aber doch Sinn machen kann.» Das könne beispielsweise eine Überraschung sein oder eine fehlende Übereinstimmung – also etwas, das man anders erwartet hätte. So gehe es im Deutschschsprachigen meistens darum, dann Humor zu beweisen, wenn man irgendwo mit widrigen Umständen konfrontiert sei und dem etwas Amüsantes abgewinnen könne.
Mit dem «SRF Writer’s Day» haben SRF und das Zurich Film Festival zum wiederholten Male ein Zeichen für das Schweizer Autor:innenschaffen gesetzt.
Text: SRG Insider
Bild: SRG Insider
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