«Was macht eigentlich...» ein/e Gebärdensprachdolmetscher/in?
Der Service public der SRG ist für alle zugänglich, auch für das gehörlose Publikum. Michèle Berger, Gebärdensprachdolmetscherin, gibt uns einen Einblick in ihren Beruf und damit in die Welt der Gehörlosen.
«In der Schweiz gibt es das Gesetz, dass pro Sprachregion eine Newssendung pro Tag für Gehörlose übersetzt werden muss», erklärt Michèle Berger. Sie arbeitet für SRF als Gebärdensprachdolmetscherin und das seit der ersten gedolmetschten Sendung. Bei der Entwicklung dieses Formates hatte sie ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen. Bei SRF werden zur Zeit zwei Sendungen übersetzt: die Hauptausgabe der Tagesschau um 19.30 Uhr und der Kassensturz.
Sunniten und dreidimensionale Bilder
Die Gebärdensprache ist eine visuelle Ausdrucksweise. Deshalb ist sie auch ganz anders aufgebaut, als unser gesprochenes Deutsch. Im Journalismus ist es üblich, dass ein Thema nicht gleich am Anfang eines Satzes preisgegeben wird. Die Gebärdensprache funktioniert jedoch so, dass am Anfang des Gesprächs, die Themen aufgezeigt werden. Anschliessend muss man nur noch an die entsprechende Stelle zeigen, wenn man über ein spezifisches Thema spricht. Dies geschieht mithilfe eines imaginären dreidimensionalen Bildes, welches die Gesprächspartner vor sich aufbauen. «Beispielsweise wird das Thema ‹Fifa› oben, rechts vom Kopf festgelegt. Wird dann über Sepp Blatter gesprochen, muss auch dieses Thema dort stehen. Es also nicht ganz einfach, zeitlich mit der Tagesschau mitzuhalten. Deshalb bin ich immer hochkonzentriert, wenn ich dolmetsche», beschreibt Michèle einen der Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen.
In der Tagesschau werden komplexe Themen behandelt, wie zum Beispiel die Verfolgung von Sunniten durch die IS. Bevor Michèle eine Sendung übersetzt, muss sie sich genauestens über die Themen informieren. Viele von uns wissen, was Sunniten sind, das wars dann aber auch. Trotzdem können wir von Sunniten sprechen und unser Gegenüber versteht uns. In der Gebärdensprache funktioniert das nicht. «Ich erkläre alles in Bildern, wenn ich also nicht genau weiss, was ein Sunnit ist, kann ich es auch nicht übersetzen. Die Vorbereitung ist ein sehr wichtiger Bestandteil meiner Arbeit.»
Live gesendet – live übersetzt
Auf SRF 1 läuft täglich um 19.30 Uhr die Hauptaussage der Tagesschau. Parallel sendet SRF info die Sendung mit einer Gebärdensprachdolmetscherin. Beides wird live gesendet. Michèle befindet sich dann in einem anderen Studio und sieht die Nachrichten genau so wie wir Zuhause im Fernseher. Kein Teleprompter mit Text sondern nur mit Bild – keine Vorschau – alles wird direkt übersetzt. «Als Gebärdensprachdolmetscherin für SRF zu arbeiten ist sehr anspruchsvoll aber genau diese Herausforderung macht mir am meisten Spass. Ausserdem finde ich es cool, dass ich so die News bereits kenne, bevor sie die breite Masse erreichen.»
Untertitel: Kein Ersatz für Gebärdensprache
Neben der Tagesschau wird der Kassensturz am Dienstagabend ebenfalls übersetzt. Die Version mit der Gebärdensprachdolmetscherin wird aber erst am Samstag ausgestrahlt und auf dem SRF Player archiviert. Die anderen Sendungen von SRF werden für Gehörlose nur mit Untertiteln versehen. «Meiner Meinung nach, ist dies aber kein Ersatz für die Gebärdensprache, da Deutsch für Gehörlose eine Fremdsprache ist», so Michèle. Wenn Hörende eine Sprache lernen, können sie am meisten über das Gehör aufnehmen. So entwickelt der Mensch ein Verständnis für die Grammatik der Fremdsprache. Ein Gehörloser kann die Sprache nur sehen. Deshalb ist es für ihn viel schwieriger, die Regeln zu begreifen. Um die Situation zu verbessern schlägt Michèle vor: «Es wäre wichtig auch politische Sendungen zu übersetzen. Gehörlose Menschen können sich heute nur über schriftliches Material und den Internetsender Focusfive informieren. Ich finde das ist nicht ausreichend. Deshalb sollte zum Beispiel die Sendung ‹Arena› ebenfalls übersetzt werden.»
Welche Voraussetzungen man für den Beruf Gebärdensprachdolemtscher/in mitbringen muss, wie man den Berufseinstieg schafft und wie die Arbeitsbedingungen aussehen, erfährst du hier:
Bild Michèle Berger: Nina Müller
Screenshot SRF «Tagesschau» in Gebärdensprache: SRF
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