«Lesen, Lesen, Lesen»

Sie hat eine Wand voll Bücher, liest fürs Leben gern und hat sozusagen ihren Traumjob gefunden: Nicola Steiner vom «Literaturclub». Wir haben mit ihr über Lese-Freuden, Buchkritiken und den Sinn von Literatur gesprochen.

SRG Insider: Du moderierst den «Literaturclub» und bist Redaktorin der Sendung «52 beste Bücher» bei SRF. Wie viel liest du eigentlich?
Nicola Steiner: Viel! Unglaublich viel und unglaublich gerne – allerdings meistens nur für den Beruf, da ich auch in meiner privaten Zeit für meine Sendungen lese. In den Ferien hingegen lese ich gerne etwas für mich und nehme die alten Klassiker wieder hervor, welche mir wieder ein Gefühl für Literatur als Gesamtes geben. Beruflich lese ich mindestens vier bis fünf Bücher im Monat, meistens sind es sogar mehr. Der Aufwand ist aber je nach Buch unterschiedlich – ich hatte schon pro Sendung 3000 Seiten! Da bist du wirklich nur noch am Lesen, Lesen, Lesen.

Vergeht dir die Freude am Lesen nie?
Eigentlich nicht. Lesen ist mein Leben. Aber wenn mir mal zwischendurch das Lesen zu viel wird, dann schaue ich Serien. Ich bin ein Serien-Junkie und lasse mir diese Abwechslung vom Lesen nicht nehmen. Wenn ich besonders unter Zeitdruck stehe, versuche ich einfach, noch effizienter zu lesen. Ausserdem sind nicht alle Bücher gleich schön zum lesen – es gibt sicherlich Werke, welche ich im privaten Leben nicht lesen würde. Aber genau das ist auch das Schöne an meinem Job, denn so kann ich meinen Horizont erweitern. Manchmal muss man sich auch einfach durchbeissen und merkt dann doch irgendwann, dass sich das Durchhalten gelohnt hat. Und manchmal lohnt sich leider auch das Durchhalten nicht.

Wie sieht die Vorbereitung für deine Sendungen aus?
Sehr unterschiedlich. Beim «Literaturclub» laden wir jeweils drei Experten ein, welche je zwei Buchvorschläge machen. Die Redaktion entscheidet dann gemeinsam mit mir, welche Bücher wir schliesslich in die Sendung nehmen. Dabei schauen wir, welches Thema besprochen wird oder aus welchem Sprachraum ein Werk stammt – wir wollen ja eine möglichst grosse Vielfalt. Krimis beispielsweise eignen sich leider nicht so gut für unsere Sendung, da wir die Handlung besprechen und die Geschichte den Zuschauern und somit potenziellen Leserinnen und Lesern nicht verraten möchten. Obwohl wir immer mal einen Krimi-Schwerpunkt setzen wollten. In einem nächsten Schritt wird der Aufbau einer Sendung vorbereitet: Mit welchem Buch fängt man an? Wo werden Akzente gesetzt? Wir nehmen den «Literaturclub» live auf, was uns eine natürliche und authentische Diskussion ermöglicht.

Bei «52 beste Bücher» habe ich etwa vier Sendungen im Jahr und muss mich zudem mit anderen Sendungsmachern absprechen. Dort bespreche ich Bücher, von welchen ich allgemein sehr überzeugt bin. Manche kamen vielleicht sogar schon im Literaturclub vor. Die Buchauswahl für beide Sendungen ist also unterschiedlich.

Wie gehst du an so eine Buchkritik ran?
Zuerst einmal lese ich das Buch. Ich mache mir dabei Notizen, streiche an und klebe Post-Its rein – fast wie in der Schule. Dabei achte ich mich auf die Sprache, die Struktur, die verwendeten Perspektiven, die Erzählform, die Zeitform, wie werden Adjektive verwendet, welche Themen werden angesprochen... einen strengen Leitfaden habe ich dabei nicht. Beim ersten Mal Lesen geht es vor allem ums verstehen, um was es im Buch geht. Einen guten Kritiker erkennt man auch daran, dass er dir in wenigen Minuten das Wesentliche vom Buch wiedergeben kann. Beim zweiten Durchlesen fallen mir dann zum Beispiel sich wiederholende Motive auf – ein ganz anderes Lesen und Verständnis. Beim «Literaturclub» lese ich die Bücher einmal und kurz vor der Sendung nochmals quer, bei «52 beste Bücher» hingegen lese ich die Werke zweimal intensiv.

Was für Feedback bekommst du auf deine Sendungen?
Erstaunlich viel und das Schöne ist, dass sie überwiegend positiv sind. Es gibt allerdings auch kritische Zuschriften, welche zum Beispiel mit dem Sendungsaufbau, den Gästen, mir oder den Kritiken an sich nicht zufrieden sind. Das zeigt mir aber, dass sich die Zuschauer kritisch mit der Sendung auseinandersetzen und sich darüber Gedanken machen – und genau das möchte ich mit meiner Arbeit auch erreichen. Ich rette zwar keine Menschenleben, kann ihnen durch die Literatur aber einen Sinn, neue Gedanken und neue Sichtweisen geben – was genauso wichtig ist. Für mich gehört Literatur zum Leben, zur Menschheitsgeschichte und somit auch zum Service public.

Interview: Nina Meroni
Bild: SRF/Gian Vaitl

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