Stillstand auf der grossen Leinwand
Es gibt gewisse Schweizer Filme, die für die grosse Leinwand bestimmt sind. In den letzten Wochen konnte die Magie vom Filmegucken, Sessel an Sessel mit fremden Menschen, aber nicht auf uns überschwappen. Diese monatelange Schliessung der Kinosäle hat die Filmschaffenden vor grosse Herausforderungen bei der Distribution ihrer Werke gestellt. Auch nach dem Re-Opening der Kinos am 6. Juni sind die Auswirkungen noch zu spüren.
Mit den Absagen von Filmfestivals und der monatelangen Schliessung der Kinosäle aufgrund der Lockdown-Massnahmen, waren und sind die Plattformen für die Ausstrahlung von Kinofilmen beschränkt. Dadurch fiel in den letzten Monaten nicht nur das Publikums- und Medienecho geringer aus – es wurden auch bedeutend weniger Einnahmen reingespült.
Bereits gestartete SRG-Koproduktionen, von welchen man sich erhofft hatte, dass sie sich an den Kinokassen als Erfolgsvehikel beweisen, sind ganz plötzlich von der grossen Leinwand verschwunden. So beispielsweise die historische Komödie «Moskau einfach!» von Micha Lewinsky, das aufwühlende Wirtschaftsdrama «Jagdzeit» von Sabine Boss oder das Liebesdrama «Mare» von Andrea Štaka.
Kreativitätsmodus aktiviert
«Mare» lief in den Deutschschweizer Kinos drei Tage vor dem Lockdown an. Dann wurden die Kinosäle geschlossen – für Regisseurin Andrea Štaka ein Horrorszenario, wie sie in der Interview-Reihe der Solothurner Filmtage zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf das Schweizer Filmschaffen sagt:
Ich fühlte mich wie in einem startenden Flugzeug, bei dem die Notbremse gezogen wird.
Andrea Štaka, Regisseurin
Den Streifen aber sang- und klanglos im Archiv ruhen zu lassen, war für den Filmverleiher von «Mare» keine Option. Wegen der Ausnahmesituation konnte das Auswertungsfenster für Kinofilme umgangen und der Titel früher als üblich als Video-On-Demand auf Streamingplattformen zur Miete angeboten werden. Normalerweise sind Kinofilme gemäss Urheberrechtsgesetz nämlich frühestens nach einer Frist von vier Monaten für den Heimkinomarkt verfügbar. Inzwischen ist «Mare» aber wieder im Lichtspielhaus zu sehen.
Comeback in Slow-Motion
Noch nicht in die Schweizer Kinos geschafft, hat es das Drama «Schwesterlein» aus der Romandie. Der Spielfilm feierte im Februar 2020 Weltpremiere an der Berlinale. Doch der für Ende April geplante Kinostart der SRG-Koproduktion musste wieder abgesagt werden – und das Regisseurinnen-Duo Stéphanie Chuat und Véronique Reymond muss sich bis im September 2020 gedulden, um «Schwesterlein» über die grosse Leinwand flimmern zu sehen. Wie die beiden in der Interview-Reihe der Solothurner Filmtage offenbaren, zählen sie auf die Solidarität der Kinos:
Hoffen wir, dass die Kinobetreiber dem Independent-Kino die gleichen Chancen einräumen werden wie den Blockbustern, mit denen sie ihre Kassen wieder flott zu machen hoffen.
Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, Regisseurinnen
Auf Pause gedrückt
Für Ivo Kummer, Leiter Film im Bundesamt für Kultur, ist klar, dass die Kinos auf Blockbuster setzen müssten, um das Jahr zu überstehen, wie er in einem Gespräch mit SWI swissinfo.ch sagt. So musste auch der Spielfilm «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» von Oliver Rihs weichen und wird nun erst im Januar 2021 in den Deutschschweizer Kinos zu sehen sein. Dabei zählt das Projekt, bei welchem bereits im Jahr 2013 die Filmidee von Dave Tucker mit dem «Treatment Award» geehrt wurde, zu den am besten finanzierten Kino-Produktionen. Das Biopic mit Joel Basman in der Hauptrolle ist bereits kinofertig, spielt im Moment aber kein Geld ein. Diese unsicheren Einnahmen liegen auch Produzent Ivan Madeo auf dem Magen, wie er im Interview mit den Solothurner Filmtagen erwähnt:
Immerhin hatten wir aber keinen Drehabbruch wie einige Kolleginnen und Kollegen von uns. Wir hatten Glück im Unglück.
Ivan Madeo, Produzent Contrast Film
Er kann es kaum mehr erwarten, bis das Publikum die Geschichte über Ausbrecherkönig Walter Stürm auf der grossen Leinwand zu sehen kriegt. Am 14. Januar 2021 soll es soweit sein.
Fokus auf Premiere
Bereits am 8. Oktober 2020 kommt die Schrebergartenkomödie «Eden für jeden» von Rolf Lyssy ins Lichtspielhaus. Zuvor wird der Film am Zurich Film Festival als Weltpremiere gezeigt. Der Regisseur zeigt sich begeistert:
Ich hätte mir dafür kein besseres Setting vorstellen können.
Rolf Lyssy, Regisseur
Denn das ZFF ist eines der wenigen Filmfestivals, das dieses Jahr wie geplant stattfindet und deshalb keine digitale Alternative oder ein Verschiebedatum anpeilt. Wenn dann nicht nochmals so ein gewisses Virus dazwischenfunkt ...
Übrigens stand in den letzten Wochen auch die Produktion von fiktionalen SRG-Serien still. Was das für die Filmschaffenden bedeutet, gibt's hier zu lesen.
Text: SRG Insider (Quellen: SRG, SRF, Bundesamt für Kultur, Swiss Films, ProCinema, Solothurner Filmtage, Zurich Film Festival)
Titelbild: Colourbox.de
Bild «Mare»: Frenetic Films
Bild «Schwesterlein»: Prasens Film
Bild «Stürm»: Contrast Film
Bild «Eden für jeden»: Atlantis Pictures
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