Berufsprofil: Datenjournalist/in
Was macht ein/e Datenjournalist/in? Und wie schafft man den Einstieg in den Beruf? Das SRF Data-Team, bestehend aus Timo Grossenbacher, Angelo Zehr und Julian Schmidli, gibt Auskunft.
Könnt ihr in drei Sätzen erklären, was ein/e Datenjournalist/in macht?
Angelo: Ein/e Datenjournalist/in erzählt Geschichten indem er/sie Daten und Zahlenmaterial recherchiert, analysiert und visualisiert. So fördert er/sie neues Wissen zutage oder erklärt dem Publikum bestehende Phänomene auf eine neue Art und Weise. Neue Technologien spielen bei jedem der drei Arbeitsschritte eine wichtige Rolle.
Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag aus?
Angelo: Die Arbeit findet zu 90 Prozent vor dem Computer statt. Jeder Tag ist anders. Teils suchen wir im Internet und in Zusammenarbeit mit anderen Fachredaktionen nach Daten, die noch nicht journalistisch aufbereitet wurden oder nach technischen Wegen, selbst Daten zu sammeln. Oder wir überprüfen diese auf ihre Glaubwürdigkeit und wählen anschliessend jene Zahlen aus, die wir am spannendsten finden. Wir verbringen viel Zeit mit Programmieren.
Wie wird man eigentlich Datenjournalist/in? Braucht man dafür eine bestimmte Ausbildung?
Julian: Es gibt sehr unterschiedliche Wege, die zum Ziel führen. Was hilft, ist eine Affinität zu Zahlen, Statistik, methodischem Arbeiten, Programmierung, Visualisierung. Ich selbst habe mir viel während der Arbeit als Recherche-Journalist beigebracht. Durch «learning by doing» kann man erste Hürden nehmen und sich ständig verbessern. Auch helfen Online-Kurse, der Besuch von Workshops und Konferenzen – sprich der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.
Welche persönlichen Eigenschaften muss man mitbringen, um als Datenjournalist/in erfolgreich zu sein?
Julian: Eine schnelle Auffassungsgabe, eine steile Lernkurve, journalistische Neugier und keine Angst vor Code und Software. Und man muss teamfähig sein.
Timo: Wir müssen uns bei der Arbeit immer fragen: Woher kommen die Daten und wurde möglicherweise schon ein Filter angewendet, um allfällige, brisante Tatsachen zu verbergen? Kann es sein, dass bei der Auswertung etwas übersehen oder falsch berechnet wurde? Wie fehleranfällig ist die eigene Verarbeitung der Daten? Liegen dann Dokumente vor, braucht es Beharrlichkeit. Beharrlichkeit, weil sich interessante Aspekte oft erst nach langer und mühsamer Vorarbeit aus den jeweiligen Daten ziehen lassen.
Was ist das Schwierigste an diesem Beruf?
Timo: Es liegt nicht in unserer Kompetenz, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, indem wir komplexe Berechnungen anwenden oder riesige Datensätze auf Muster untersuchen – vielmehr suchen wir dort, wo andere nicht hinschauen. Wir suchen nach Unregelmässigkeiten, die sich einfach und stichhaltig aufzeigen lassen.
Angelo: Es wurden noch nie so viele Daten gesammelt wie heute. Es ist gar nicht so einfach, jene Daten zu finden, in denen eine journalistische Geschichte steckt.
Wie sehen denn die Arbeitsbedingungen als Datenjournalist/in aus?
Julian: Durch einen starken Transparenzdruck werden zurzeit mehr und mehr Datenquellen geöffnet und zugänglich gemacht. Das können amtliche Stellen aber auch Akteure aus der Privatwirtschaft sein. Hinzu kommt, dass es immer bessere Open-Source-Software gibt, die auch einzelnen ermöglichen, grosse Datenmengen zu sammeln und zu analysieren. Diese beiden Entwicklungen sorgen dafür, dass Datenjournalisten die Arbeit so schnell nicht ausgehen wird.
Und welche Weiterbildungs-/Entwicklungsmöglichkeiten gibt es?
Julian: Im Netz gibt es viele Möglichkeiten, neue Methoden und Techniken zu lernen – etwa durch sehr preiswerte Online-Kurse, z.B. datacamp.com. Am besten versucht man sich selbst an einem eigenen Arbeitsprojekt. Mit etwas Durchhaltewillen und Kreativität kommt man schon sehr weit. Für Fans der «alten Schule» biete ich übrigens auch Kurse am MAZ an. Dort lernt man Tipps und Tricks im effizienten Umgang mit Daten. Dort gibt es auch einen CAS. Und die Universität Zürich bietet einen Mastertrack «Politischer Datenjournalismus» an.
Timo: Und nicht zuletzt gibt es im Netz Hilfe: auf Twitter unter dem Hashtag #ddj oder die NICAR-Mailingliste. Der deutsche Verein «Netzwerk Recherche» lädt jedes Jahr zu einer zweitägigen Konferenz nach Hamburg ein. Der Besuch lohnt sich auf jeden Fall. In der Schweiz ist das Recherche-Netzwerk «investigativ.ch» eine gute Anlaufstelle.
Möchtest du einen noch konkreteren Einblick in den Alltag des Teams von SRF Data? Dann lies unbedingt unseren Beitrag «Wenn Daten Geschichten erzählen».
Interview: Laura Verbeke
Bild: Colourbox.de
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