«Nachgefragt»: Wie können Sehbehinderte Filme «schauen»?

Trotz Sehbehinderung an der Film- und Serienwelt teilhaben? Audiodeskription macht's möglich! Wir haben Urs Lüscher, Präsident des Vereins «Hörfilm Schweiz», getroffen, und dabei gelernt, wie aus dem Film «Flitzer» ein Hörfilm entsteht.

Urs Lüscher ist Präsident des Vereins «Hörfilm Schweiz». Mit weniger als 10% Sehvermögen zählt auch er zu einem von rund 325'000 sehbehinderten Menschen in der Schweiz. Zusammen mit seinen Mitarbeitenden setzt er sich deshalb für eine barrierefreie Filmwelt ein, indem er Audiodeskriptionen für Filme, Serien und andere kulturelle Ereignisse produziert.

Was ist eigentlich Audiodeskription?

Audiodeskription bedeutet, einen Film so zu beschreiben, dass er auch für eine nichtsehende Person unterhaltend wird – aus einem Film entsteht also ein Hörfilm. Gar nicht so einfach, wie wir feststellen.

Im Büro von «Hörfilm Schweiz» treffen wir drei Frauen an. Zwei starren auf einen Bildschirm und machen sich dabei Notizen, die dritte sitzt gegenüber und hört zu. Transkribiert wird gerade die Komödie «Flitzer».

«Flitzer» ist die Geschichte des verwitweten Lehrers Baltasar, der Geld seiner Schule verwettet hat und nun pleite ist. Um das gestohlene Geld wieder zurück zu bekommen, hat Baltasar die tolle Idee, Flitzer auf Fussball-Spielfelder zu schicken, und auf deren Erscheinungen zu wetten.

Ganz viele nackte Haut, eine grosse Prise Humor und natürlich eine spannende Liebesgeschichte gilt es für das Team von «Hörfilm Schweiz» zu transkribieren – eine echte Herausforderung!

Aus einem Film wird ein Hörfilm

Der Ablauf ist immer derselbe: Erst wird die Szene beschrieben, dann die wichtigsten Informationen selektioniert. Die Aussagen werden dann in einem zweiten Schritt so gekürzt, dass sie zwischen zwei Dialoge passen und somit die Filmhandlung nicht stören.

Der Grundsatz: Wer macht was? Wo spielt die Handlung? Welche Protagonist/innen sind involviert und wie agieren diese miteinander?

Es muss also einfach das beschrieben werden, was in der Szene vorkommt. Klingt in der Theorie gar nicht so schwierig, gestaltet sich in der Praxis allerdings ziemlich komplex.

Subjektive Wahrnehmungen haben in der Audiodeskription nämlich nichts zu suchen, Emotionen sollen aber trotzdem transportiert werden. Beobachtungen müssen stets objektiv sein, allerdings so kurz und knapp, dass sie keinen Dialog oder wichtige Geräusche übersprechen. Dazu soll der Dialekt der Sprechenden natürlich zum Inhalt und zum Spielort der Handlung passen.

Die Schwierigkeit bei «Flitzer»: es handelt sich um eine Komödie. Der Bildwitz muss also in Text umgewandelt werden, wobei der Überraschungsmoment möglichst lange erhalten bleiben soll. Auch Kampfszenen oder die Beschreibung von Vorkomnissen, von denen man selbst keine Ahnung hat, sind in der Audiodeskription schwierig, erklärt uns Urs Lüscher.

Komödien sind die Königsdisziplin in der Audiodeskription. Ein lustiges Bild auch als Beschreibung lustig zu gestalten, ist nicht immer ganz einfach.

Urs Lüscher, Präsident Hörfilm Schweiz

Nicht nur Filme und Serien werden übrigens von «Hörfilm Schweiz» barrierefrei aufbereitet. Der Verein setzt sich auch dafür ein, andere kulturelle Erlebnisse für sehbehinderte Menschen zugänglich zu machen. So werden auch Theatervorführungen transkribiert oder Kunstausstellungen beschrieben.

Auch SRF bemüht sich als einer der grössten Kunden von «Hörfilm Schweiz» stets darum, Inhalte barrierefrei aufzubereiten. So stehen sinnesbehinderten Menschen online wie offline vielfältige Medienangebote zur Verfügung.

Text: Eva Gaudenz
Bild: Screenshot aus «Flitzer» (verfremdet)
Videos: Eva Gaudenz

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